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Das Berliner Schloss: Wenn der wahre Wille fehlt

Dem Projekt Stadtschloss fehlt nicht die Idee eines nationalen wie auch internationalen Herzstücks der Berliner Republik. Aber man kann hinter dieser so lange umstrittenen Idee inzwischen keinen wirklich durchgreifenden politischen Willen mehr erkennen. Nicht beim Bund und nicht beim Stadtland Berlin.

Sagt der Mann nicht die Wahrheit? Bundesbauminister Peter Ramsauer zweifelt an der Bereitschaft der Bürger, für den Wiederaufbau des Schlosses inmitten ihrer Hauptstadt Berlin „zusätzliche 50 oder 100 Millionen Euro“ zu spenden. Die aber bräuchte es, um dem zu restaurierenden Bau auch die barocke Kuppel aufzusetzen und das künstlerische Fassadenwerk anzufügen.

Peter Ramsauer ist zudem Verkehrsminister und Oberbayer. Aber keiner von der barocken Sorte. Für ihn gilt, dass der Bundestag die Schlossbaukosten 2007 auf 522 Millionen Euro gedeckelt habe. Und man könne bei einem solchen Großprojekt „immer das ein oder andere Modul herausnehmen“ – außerdem ließen sich für die Kuppelkosten „acht Kilometer vierspurige Autobahn“ bauen. Ramsauer: „Sie dürfen raten, welche Alternative die Abgeordneten besser finden.“

Das alte bundesdeutsche Kabarett hätte so viel Offenheit und den gewählten Vergleich mit einem schnellen Witz über die unverwüstliche ADAC-Mentalität eines CSU-Minister vergolten. Doch das wäre ein Kurzschluss. Denn der Rechner Ramsauer hat weniger ein kulturelles Urteil gefällt als – mit technokratischer Offenheit – eine politische Zustandsbeschreibung geliefert. Dem Projekt Stadtschloss mitsamt seiner musealen Inszenierung als Humboldt-Forum fehlt ja nicht die Idee eines nationalen wie auch internationalen Herzstücks der Berliner Republik. Aber man kann hinter dieser so lange umstrittenen Idee inzwischen keinen wirklich durchgreifenden politischen Willen mehr erkennen. Nicht beim Bund und nicht beim Stadtland Berlin.

Wer, zumal in den Zeiten der finanziellen Krise, eine solche Mischung aus Rekonstruktion, historisierender Nachbildung und zweckhaftem Neubau durchsetzen will, der kann nicht nur routinemäßig auf einen Jahre zurückliegenden Parlamentsbeschluss verweisen, mit einer, wie alle Kenner wissen, längst unrealistischen Kostenrechnung. Ein Kanzler Kohl wollte einst gegenüber dem Schlossplatz das Deutsche Historische Museum, und er wollte den Bundestag im Reichstag mit einer Kuppel. Kanzler Schröder, der auch gerne ein Schloss gesehen hätte, wollte wie schon Kohl das Holocaust-Mahnmal und setzte es letztlich mit seinem Kulturstaatsminister Naumann durch; und er entschied, den Emigranten Heinz Berggruen mit seiner Picasso-Sammlung nach Berlin zurückzuholen, und stellte dafür, basta, 250 Millionen Mark bereit. Was aber will die Kanzlerin Merkel?

Schon beim international blamablen Streit um die Dresdner Waldschlösschenbrücke waren die Kanzlerin und ihr Kulturstaatsminister Neumann abgetaucht. Bundespolitisch überließen sie die Auseinandersetzung dem damaligen Bauminister Tiefensee. Das Berliner Schloss und sein Humboldt-Forum droht indes zu einer ungleich krasseren Peinlichkeit zu werden. Nachdem der Bundestag und ein Architektenwettbewerb entschieden haben, ist dieses Projekt der neuen alten Mitte viel zu symbolträchtig und ambitioniert, um noch ohne größeren Schaden kleingemacht zu werden. Es ist auch viel zu teuer, um daran sinnvoll sparen zu können. Dieses neualte Schloss ohne Kuppel sähe aus wie ein überdimensionierter Kasernenkasten preußischer Postmoderne; und eine Rekonstruktion ohne Stuckschmuck und den Rest barocker Zitate würde jede Besonderheit, jeden urbanistischen Reiz verlieren. Dann lieber gleich 80 Kilometer neue Autobahn.

Mehr Überholspuren kriegen wir nämlich nicht – für eine halbe Milliarde. Und genau damit macht uns Peter Ramsauer gewollt-ungewollt auch die Dimensionen klar. Wer an den Erfolg des wiederauferstandenen Neuen Museums denkt, kann sich die millionenfache Attraktion von Museumsinsel und Humboldt-Forum allemal ausmalen. Es wäre eine Investition in die Zukunft, zumindest in manifestierte Bildung und Kultur. Dafür aber muss man auch inspiriert und inspirierend werben. Es müsste ein Schloss-Geist her, der an das animierende bürgerschaftliche Engagement etwa beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche erinnert. Davon ist man in Berlin politisch und gesellschaftlich noch millionenweit entfernt.

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