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Meinung: Das Fundament der Existenz

Eine Frage der Würde: Auch Arbeitgeber sind in der Pflicht Von Franz Grave

Ich lebe im Ruhrgebiet und begegne täglich mehr arbeitslosen Menschen. Diese Erfahrung ist nicht neu. Sie hat ihre Geschichte, die sich in letzter Zeit dramatisch zugespitzt hat. Die Statistik belegt es: Die Zahl der arbeitslosen Menschen nimmt drastisch zu. Im Ruhrgebiet ist es bittere Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit fast jede Familie erreicht. Hinter diesen Zahlen verbergen sich Menschenschicksale, die mich sehr bewegen.

Ich verstehe das Schicksal dieser Menschen immer besser und würde meinen Arbeitsplatz als Bischof gern mit ihnen teilen, wenn das möglich wäre. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen wie eine Geißel, die die Menschen im Kern trifft. Diese Plage dürfen wir nicht verharmlosen, sie ist eine Erschütterung, die die Fundamente des Lebens tangiert. Papst Johannes Paul II hat in seiner Arbeitsenzyklika „Laborem exercens“ darauf hingewiesen, dass die Arbeit eine fundamentale Dimension des menschlichen Lebens ist. Negativ gewendet ist Arbeitslosigkeit dann die Erschütterung des Menschen in den Fundamenten seiner Existenz!

Wie kann es weitergehen? Ein Umdenken ist nicht allein auf der Arbeitnehmerseite notwendig. Es muss auch einhergehen mit einem Umdenken auf der Arbeitgeberseite. Ich sage es ausdrücklich: Es gibt die Verantwortung der Wirtschaft für den Arbeitsmarkt. Es stimmt sehr nachdenklich, wenn der Aktienkurs eines Unternehmens steil ansteigt, wenn ein Stellenabbau durchgeführt worden ist.

Papst Johannes Paul II hat bereits 1987 anlässlich seines Besuchs im Bistum Essen in dem viel beachteten Vortrag auf der Zeche Prosper Haniel in Bottrop gesagt: „Unverschuldete Arbeitslosigkeit wird zum gesellschaftlichen Skandal, wenn die zur Verfügung stehende Arbeit nicht gerecht verteilt und der Ertrag der Arbeit nicht auch dazu verwandt wird, neue Arbeit für möglichst alle zu schaffen. Damit ist die Solidarität aller gefordert, derjenigen, die über Kapital und Produktionsmittel verfügen, wie auch aller, die bereits Arbeit haben.“

Es muss ein Mentalitätswandel geschehen. Besitzstandswahrung im Hinblick auf den Arbeitsplatz und pure Gewinnoptimierung ohne die Beschäftigten im Blick zu haben, führt nicht weiter. Kreative Lösungen sind gefragt. Dabei muss klar sein: Es geht nicht ohne Verzicht. Weder auf der Arbeitgeber- noch auf der Arbeitnehmerseite. Aber nur dieses kreative Denken kann unsere Gesellschaft als Solidargemeinschaft erhalten. Und an guten Ideen fehlt es wahrlich nicht!

Der Autor ist Weihbischof im Bistum Essen.

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