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Meinung: Das Jahr wird lang

2003 kann es einen Aufschwung geben – spüren wird man ihn erst an Weihnachten

Schlechter als zu diesem Jahreswechsel war die Stimmung in Deutschlands Unternehmen und bei den Verbrauchern selten: Kaum jemand glaubt, dass es der Wirtschaft im kommenden Jahr tatsächlich besser gehen könnte. Die Arbeitslosenzahlen steigen und werden im Februar voraussichtlich die 4,5-Millionen-Marke überschreiten. Steuern und die Abgaben werden kräftig erhöht und verderben den Verbrauchern endgültig die Laune: Die Krankenkassen und die Rentenversicherung erhöhen die Beiträge, Benzin und das Heizen zu Hause werden ebenfalls drastisch teurer. Kaum ein Unternehmen plant Neueinstellungen, die meisten Firmen haben ihre Investitions- und Erweiterungspläne erst einmal auf Eis gelegt. Und ob das Trauerspiel an den Börsen im Jahr 2003 ein Ende findet, ist noch lange nicht heraus. Das Wirtschaftswachstum im Gesamtjahr wird so um die Ein-Prozent-Marke pendeln. Alles, was darüber liegt, wäre eine echte Überraschung.

Nach Aufschwung, Erholung, Hausse sieht derzeit gar nichts aus. Zwar sagen die ersten Unternehmen in den Meinungsumfragen der Wirtschaftsforschungsinstitute, dass sie möglicherweise im kommenden Jahr doch ein bisschen mehr investieren wollen. Zwar sind vor allem die Industrieunternehmen der Ansicht, dass das Geschäftsklima sich ein wenig aufgehellt hat. Zwar sagen die befragten Unternehmer, dass die allgemeine Stimmung katastrophal sei, schätzen ihre eigene Lage aber als deutlich besser ein. Doch bis sich diese erfreulichen Signale messbar auf die Konjunktur und vor allem auf das Lebensgefühl der Verbraucher auswirken, dauert es noch Monate.

Zunächst einmal wird wirklich alles schlechter. So steigen die Arbeitslosenzahlen bis zum März noch einmal deutlich an: Allein aus saisonalen Gründen verlieren im Lauf des Februar noch einmal viele Menschen ihre Arbeit. Bis ein Aufschwung oder die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung tatsächlich dazu führen, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, wird mindestens ein halbes bis dreiviertel Jahr vergehen. Denn Arbeitsplätze werden zuletzt geschaffen – erst einmal werden die Arbeitszeitkonten wieder mit Überstunden gefüllt, werden Engpässe mit Personal von Zeitarbeitsfirmen überbrückt. In Deutschland werden erst dann neue Jobs geschaffen, wenn das Wachstum die Zwei-Prozent-Marke überspringt. Und dafür braucht es schon einen richtig kräftigen Aufschwung, eine leichte Erholung reicht für mehr Jobs nicht aus.

Die Furcht vor einem Irak-Krieg ist ein zusätzliches Risiko für die Konjunktur. Sie lässt kurzfristig die Ölrechnung noch einmal steigen, und treibt seit Monaten den Eurokurs. Wird der Euro aber stärker gegenüber Dollar und Yen, verschlechtern sich die Exportaussichten der deutschen Unternehmen in den Dollarraum und nach Japan. Schon jetzt klagen Autohersteller und Unterhaltungselektronikkonzerne, dass japanische Unternehmen auf Grund der veränderten Wechselkurse deutliche Marktanteile in Europa gewinnen.

Welche Bedeutung ein Krieg gegen den Irak und die Frage seiner Dauer für die Konjunktur haben wird, zeigt sich an den Börsen. Die nehmen die wirtschaftliche Entwicklung in aller Regel um etwa ein halbes Jahr voraus. Alle Prognosen für die Aktienentwicklung des kommenden Jahres aber stehen unter dem Irak-Vorbehalt. Dass es einen Krieg geben wird, halten die Börsianer für sicher. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie lange er dauern wird. Geht es schnell, steht einem Aufschwung der Weltwirtschaft im zweiten oder dritten Quartal nichts im Weg. Dauert der Krieg lang, wird sich die Erholung verzögern. Wieder einmal.

Das alles ist wenig erfreulich für die deutsche Wirtschaft, selbst wenn die Unternehmen in einzelnen Branchen nun Anzeichen für eine Besserung sehen. Noch kritischer aber ist es für die Stimmung der Verbraucher. Sie werden einen Aufschwung frühestens am Ende des Jahres bemerken. Verbraucher, die die Nase voll haben von der Depression, zuversichtlich in die Zukunft sehen und ordentlich einkaufen? In Deutschland wird es dieses Szenario vielleicht erst zum nächsten Weihnachtsfest wieder geben.

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