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Meinung: Das Schweigen der Feigen

EU unterschlägt Studie über antisemitische Vorfälle

Zwei Nachrichten dieser Wochen: Eine von der EU in Auftrag gegebene Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass die Europäer Israel für das größte Sicherheitsrisiko auf der Welt halten. Wie sich später herausstellt, war die entsprechende Frage methodisch unsauber, weil nach den Palästinensern nicht gefragt wurde. So schlug sich die Einschätzung von der Gefährlichkeit des Nahostkonfliktes in der Frage nach Israel nieder. Veröffentlicht wurde das Ergebnis dennoch.

Jetzt kommt heraus, dass eine EU-Institution seit einem Jahr eine Studie unter Verschluss hält, die antisemitische Vorfälle in Europa untersucht. Die Studie wurde von einem renommierten Forschungsinstitut in Berlin erstellt. Darin steht, dass antisemitische Vorfälle in Europa häufig auf das Konto von Muslimen arabischer oder nordafrikanischer Herkunft gehen. Aber weil diese Erkenntnis politisch nicht genehm ist, bleibt sie im Giftschrank der EU.

Die „Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (EUMC) hatte gute Gründe, die Studie nicht zu veröffentlichen. Islamfeindliche Tendenzen nehmen in Europa seit dem 11. September zu. Da sollte eine ohnehin in der Kritik stehende Minderheit nicht noch an den Pranger gestellt werden. Dass das EU-Institut dafür die Interessen einer anderen Minderheit, der jüdischen, opfert, ist jedoch ein Skandal. Und ein Beleg dafür, wohin falsch verstandene political correctness führen kann.

Die aggressivsten Spielarten des Antisemitismus findet man heute im arabisch-muslimischen Raum. Da vermischen sich Motive des „klassischen“ europäischen Antisemitismus mit judenfeindlichen Traditionen im Islam (in dem sich allerdings auch judenfreundliche Überlieferungen finden) und harscher, zum Teil berechtigter Kritik an der Politik Israels. Attentate wie die gegen die Synagogen in Istanbul mögen die Mittel einer Minderheit sein. Juden weltweit für die Politik Israels verantwortlich zu machen, gehört jedoch innerhalb muslimischer Gesellschaften zum etablierten öffentlichen Diskurs – einschließlich abschätziger Bemerkungen über Juden.

Im ägyptischen Fernsehen wurde zum Ramadan vor einem Jahr eine Serie auf der Basis der „Protokolle der Weisen von Zion“ gesendet. Eine öffentliche Diskussion darüber entstand erst, als sich der Westen empörte. Dieses Jahr setzte ein überall in Arabien empfangbarer Hisbollah-Sender die Tradition fort mit einem mehrteiligen Fernsehspiel über die Weltverschwörung der Juden, die ihren Anfang angeblich im Frankfurter Ghetto mit den Rothschilds nahm. Dass solches Denken auch unter einem Teil der Muslime in Europa verbreitet ist, verwundert da nicht. Man findet in islamistischen Moscheen in Deutschland kaum einen Büchertisch, der ohne antijüdische Hetzschriften auskommt. Und Flaggen der Terrororganisationen Hamas und Hisbollah gehören inzwischen zum Inventar fast jeder Friedensdemo in Europa.

Es hilft also nichts, die Augen davor zu verschließen: Der Nahostkonflikt wird auch auf unseren Straßen ausgetragen. Wer sich aus falsch verstandenem Minderheitenengagement vor antisemitische Muslime stellt, vergeht sich an den hier lebenden Juden – und an jener schweigenden Mehrheit moderater Muslime, die zur Verständigung bereit sind.

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