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Meinung: „Das vergangene Jahr ist nicht so gut gelaufen“

Neben den schriftlich fixierten Spielregeln gibt es im Fußball auch eine Reihe unausgesprochener Verhaltensmuster von allgemeiner Gültigkeit. Zum Beispiel ist es streng geächtet, einem Mitspieler einen Torerfolg streitig zu machen.

Neben den schriftlich fixierten Spielregeln gibt es im Fußball auch eine Reihe unausgesprochener Verhaltensmuster von allgemeiner Gültigkeit. Zum Beispiel ist es streng geächtet, einem Mitspieler einen Torerfolg streitig zu machen. Miroslav Klose hat das am Mittwoch nicht davon abgehalten, seinen Beitrag zum 1:0 der deutschen Nationalelf gegen die USA noch einmal besonders herauszustreichen. „Ich glaube, dass ich den Ball im letzten Moment noch berührt habe“, sagte der Nationalstürmer. Nach dem Tor hatte er so exponiert gejubelt, dass an seiner Urheberschaft kein Zweifel zu bestehen schien. Von den Fernsehbildern wurde diese Wahrnehmung allerdings nicht gestützt. Der von Bastian Schweinsteiger getretene Freistoß war auf direktem Weg ins Netz geflogen.

Ein außergewöhnlicher Stürmer wird immer intuitiv die richtige Entscheidung zwischen Altruismus und Eigennutz treffen. Klose hat für seinen Verein, den SV Werder Bremen, in dieser Saison 18 Tore geschossen und fünf vorbereitet. Kein Bundesligastürmer ist besser. Trotzdem hat Klose nach dem 4:1 gegen die USA gesagt: „Das vergangene Jahr ist für mich nicht so gut gelaufen.“ Die Aussage ist nur zu verstehen, wenn man weiß, dass es zuletzt zwei Kloses gegeben hat: den erfolgreichen Werder-Klose und den zaghaften Nationalmannschafts-Klose. Seit Dezember 2004 hatte Letzterer kein Länderspieltor mehr geschossen. Solche negativen Erlebnisse entwickeln irgendwann eine eigene Dynamik, und wenn es jemanden gibt, der dafür anfällig ist, dann Miroslav Klose. Gegen die USA geriet er gleich zu Beginn des Spiels in aussichtsreiche Schussposition. Er entschied sich dazu, den Ball noch einmal abzuspielen. Es war die falsche Entscheidung. Zum Glück hat Klose in der zweiten Halbzeit noch einige richtige Entscheidungen getroffen. Er erzielte sein 21. Länderspieltor und bereitete zwei weitere vor.

Für den deutschen Fußball war dies die wohl erfreulichste Erkenntnis des Abends – jetzt, da sich immer mehr die Ahnung verfestigt, dass die Nationalmannschaft möglicherweise doch nicht über genügend Klasse für das ganz große Ziel verfügt. Miroslav Klose gilt als einer der wenigen deutschen Fußballer, die sich über das Mittelmaß erheben könnten. Der Stürmer, in Polen geboren, in der Pfalz zu Hause, in Bremen beschäftigt, hat sich einer eindeutigen Einordnung immer entzogen. Sein Heimatklub mit dem lustigen Namen SG Blaubach- Diedelkopf wurde von den Medien zur Chiffre für eine provinzielle Herkunft gemacht; andererseits stand Klose vor vier Jahren kurz davor, zum nächsten deutschen Weltstar ausgerufen zu werden. Bei der WM 2002 schoss der damals 24-Jährige in den ersten drei Spielen fünf Tore. Es war wie ein Versprechen. Eingelöst wurde es bis heute nicht.

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