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Meinung: Das Wesentliche ist unsichtbar

Richtfest der neuen US-Botschaft: Was ist von den Vereinigten Staaten in Berlin geblieben?

Nun also endlich auch die Vereinigten Staaten. Die Franzosen haben den Neubau ihrer Botschaft am Pariser Platz 2003 eröffnet, die diplomatische Vertretung der Briten wurde bereits 2000 präsentiert und die russische, früher sowjetische, Botschaft beherrscht die Linden schon seit 1952. Dass die USA mit ihrem Neubau erst gestern Richtfest feiern konnten, hat historische, aber auch tragische aktuelle Gründe.

Zur Geschichte gehört, dass es bis zur Wiedervereinigung zwar in Berlin, Hauptstadt der DDR, eine Botschaft gab, nicht aber in WestBerlin. Die US-Repräsentanz für die Bundesrepublik war in Mehlem bei Bad Godesberg. Im wiedervereinten Deutschland wollten die USA an historischer Stelle, am Pariser Platz, bauen. Aber der bereits entschiedene Architektenwettbewerb wurde durch Anschläge auf amerikanische Botschaften in Afrika und schließlich durch die Ereignisse vom 11. September 2001 Makulatur. Strengere Sicherheitsvorschriften machten eine völlige Neuplanung nötig. Lange sah es aus, als ließen sich die Maßnahmen gegen terroristische Angriffe überhaupt nicht am angestammten Platz realisieren.

Jetzt sind alle froh, dass man es gewagt hat. Amerika ist, im übertragenen Sinne, wieder in der Mitte der Hauptstadt angekommen. Aber 16 Jahre nach der Wiedervereinigung und mehr als ein Jahrzehnt nach dem Abzug der amerikanischen Militärkräfte aus West-Berlin wird, über das Symbolhafte hinaus, immer öfter gefragt, was von den USA denn eigentlich in Berlin geblieben sei.

Die Antwort ist zunächst verblüffend einfach. Über die Elemente des Historisierenden hinaus – wie das Alliiertenmuseum – und jenseits der Staffage – etwa der am Checkpoint Charlie – ist nicht mehr viel vorhanden. Die Mauer haben die Deutschen bis auf kleine Reste selbst abgetragen, nur Nostalgiker werden das bedauern. Die Kasernen der westlichen Schutzmächte und der Sowjets wurden entweder von der Bundeswehr übernommen, umgewidmet oder sie sind verkommen. Die Zeit zwischen 1945 und 1989 scheint wie ausradiert.

Ist wirklich nichts geblieben? Gerade erst hat auf einer von Daimler-Chrysler organisierten Tagung über politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit im transatlantischen Dialog ein deutscher Staatssekretär erstaunt festgestellt, dass es neben der Nato und den G 8 keinerlei institutionelle Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa gebe.

Stattdessen verzeichneten wir in der Ära Schröder, wegen des Irakkrieges, eine tiefgreifende politische Krise zwischen Amerika und Deutschland. Aber eine(n) Kanzler(in) später scheint der Konflikt geheilt, als sei nichts geschehen. Das lenkt den Blick auf den Kern. Es gibt zwischen beiden Staaten offenbar ein Grundverständnis über gemeinsame Werte, das weder pathetischer Gesten bedarf, noch durch unterschiedliche Ansichten in Einzelfällen zerstört werden kann. Zwischen den USA und Deutschland wird es wohl wie in dem Märchen vom „Kleinen Prinzen“ sein – das Wesentliche ist unsichtbar. Das ist eine prosaische, aber beruhigende Erkenntnis.

Gerd Appenzeller

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