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Sigmar Gabriel weiß ein Sommerloch voll auszuschöpfen.

© dapd

Datenschutz ist immer gut: Kein Sommer, aber ein Loch

Das Sommerloch war noch nie ein Journalistenproblem. Es war immer nur eines von Bundestagspolitikern. Doch dieses Mal hatte Sigmar Gabriel einen Plan. Wie das Meldegesetz ohne Anlass zum Skandal wurde.

Das Sommerloch ist eine wiederkehrende kommunikationslogistische Herausforderung. Wann beginnt es, wie lange dauert es, wie sollen wir es füllen? Diese Frage stellen sich nicht die Journalisten, Themen gibt es schließlich immer, und wenn der Bundestag in Urlaub fährt, dann tut sich eben was auf der Südhalbkugel oder hinten fern in der Türkei. Das Sommerloch war noch nie ein Journalistenproblem. Es war immer nur eines von Bundestagspolitikern. In den Sitzungspausen, so von Anfang Juli an. Ohne Vorbereitung drohen mehrere Wochen ohne Medienpräsenz. Also bauen sie vor.

Zum Beispiel Sigmar Gabriel. Die Woche bis zu seiner Babypause lag themenleer vor ihm, aber irgendetwas muss doch da sein, mag er sich gedacht haben. War da nicht was beim Meldegesetz, hat Schwarz-Gelb da nicht was Schmutziges veranstaltet, wollten wir nicht im Bundesrat im Herbst was machen? Na, tun wir doch gleich was. Datenschutz! So hat der SPD-Chef auf Facebook losgelegt. Und damit sein Posting nicht das Schicksal der SPD-Pressemitteilung zum Thema teilt (weitgehend ignoriert), gab’s noch ein wenig Dramatik extra. Denn was ist das Meldegesetz im Vergleich mit Atomausstieg, ESM oder Angela Merkel. „Ich halte das für gefährlichen Unsinn“, regte sich Gabriel auf. „Und wundere mich ein bisschen, dass der öffentliche Aufschrei der Empörung bislang ausgeblieben ist.“

Gabriel ist ziemlich erfolgreich gewesen. Seit einer Woche kein Tag ohne den gefährlichen Unsinn. Erst war zwar nicht ganz klar, worin konkret der Skandal eigentlich liegt. Aber dann regte sich auch Horst Seehofer auf, der nach jahrzehntelanger Sommerlocherfahrung weiß, wie es geht und was passieren kann, wenn das Wort Datenschutz in der Zeile steht. Dann überraschend der Folgeskandal: Meldegesetz in einem kaum besetzten Bundestag ohne jede Aussprache in 57 Sekunden „durchgepeitscht“, weil gerade Fußball in der Glotze lief. Nicht genug: Die Bundesregierung legt sich mit den eigenen Fraktionen an und signalisiert, dass sie im Bundesrat mit der Opposition geht. So eine Vorlage gibt’s nicht oft im Leben. Sofort schob die Opposition die Platte „Chaos bei Schwarz-Gelb“ auf den Teller, die in der Hitliste schon weit nach unten gerutscht war. Die 57-Sekunden-Nummer lief parallel dazu auch immer prächtiger, denn der Debattenquickie verlangte nach ausführlicher Betrachtung, wie der Bundestag eigentlich so arbeitet den ganzen Tag und überhaupt. Gabriel ist auf Facebook dabei, allerdings in der Defensive, weil er erklären muss, dass schwache Besetzung eigentlich ganz normal ist im Bundestag (jedenfalls wenn’s nicht wichtig ist, aber warum dann die Meldegesetz-Aufregung?).

Am Freitag wieder Offensive: Die SPD fordert eine Debattenpflicht im Bundestag. Das wird eine Debatte werden nächste Woche. Zudem deutet sich an, dass ab Montag vermehrt der Bundesrat in den Blick kommt: Was machen die Länder beim Meldegesetz? Braucht auch die Länderkammer eine Debattenpflicht? Brauchen wir den Bundesrat? Wow, kann man nur sagen, eine solche Ballung an Skandalösem und Bedeutendem und wichtigen weiterführenden Fragen. In nur einer Woche. Stoff für den ganzen Sommer. Wozu ein Meldegesetz so alles gut ist. Wo bleibt der Aufschrei der Empörung?

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