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David Vondracek.

© privat

David Vondracek: "Diese Bilder erschüttern jeden"

Der tschechische Filmemacher David Vondracek wird in Frankfurt mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis ausgezeichnet. In der Heimat nehmen ihm dagegen viele übel, dass er seinen Finger in die Wunde des eigenen Landes legt.

Behutsam beginnt der Film, der in Tschechien so viel Furore gemacht hat wie keine andere Dokumentation: David Vondracek filmt sich selbst, wie er mit dem Zug ins deutsch-tschechische Grenzgebiet fährt, zu sanfter Musik zieht die hügelige Landschaft vorbei. Dann aber folgen brutale Bilder – um die Vertreibung der Sudetendeutschen geht es in seinem Film und um die Massaker an deutschen Zivilisten. Allein der Titel ist eine Provokation: „Töten auf Tschechisch“ heißt das Werk, das vor einigen Monaten zur besten Sendezeit im Fernsehen lief. An diesem Sonntag bekommt Vondracek in der Frankfurter Paulskirche den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis für seine Arbeit.

An die Beschimpfungen als Heimatverräter hat sich Vondracek schon gewöhnt. Dass ausgerechnet er als Tscheche seinen Finger in die Wunde des eigenen Landes legt, nehmen ihm viele übel. Das zeigt, wie bahnbrechend sein Film ist. Sämtliche Gräueltaten im Zusammenhang mit der Vertreibung sind bis heute ein Tabu in Tschechien, eine offene Diskussion hat in den 65 Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg nie stattgefunden. Vondraceks Film war es, der eine Debatte losgetreten hat, die auch die höchste Politik erreicht hat.

Stein des Anstoßes ist ein bislang unbekannter Amateurfilm, den Vondracek gefunden hat. Darin ist zu sehen, wie ein tschechisches Kommando Dutzende deutscher Zivilisten exekutiert – und wie dann ein Soldat in sadistischer Lust im Lastwagen über die teils noch lebenden Menschen rollt. „Diese Bilder erschüttern jeden, der auch nur ein bisschen Gefühl hat“, sagt Vondracek.

Der 47-Jährige arbeitet seit Jahren vor allem für das tschechische Fernsehen. Auf die Spur der Sudetendeutschen ist er aus Neugier gekommen: Vondracek stammt selbst aus Marienbad, wo einst viele Deutsche lebten. Über die jüngste Geschichte des eigenen Ortes habe er in der Schule aber nie etwas erfahren. Deshalb habe er sich auf die Suche begeben. „Natürlich habe ich immer wieder Stimmen gehört, die sagten: Lass uns da Gras drüber wachsen. Aber um auf die andere Seite des Abgrunds zu kommen, muss man in die Tiefe schauen.“

Dabei sehe er sich weder als Soziologen noch als Psychologen. „Ich bin einfach nur Filmemacher.“ Derzeit arbeitet er an seinem nächsten Dokumentarfilm, in dem er sich auf die Suche nach vergessenen Massengräbern von deutschen Zivilisten macht. Den Titel weiß er schon: „Sag mir, wo die Toten sind“.

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