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Seit Wochen streiten Politiker über das Betreuungsgeld. Die Debatte nervt, meint unser Autor Alexander Gauland.

© dapd

Debatte um Kinderbetreuung: Linke Volksbeglücker und rechte Ökonomen gegen das Betreuungsgeld

Thüringen hat es, Schweden hat es, Finnland auch: das Betreuungsgeld. Keinem dieser Länder hat das geschadet, trotzdem wird in Deutschland eifrig diskutiert. Unser Autor findet diese Debatte einfach nervig.

Als ob dieses Land keine anderen Sorgen hätte: Griechenlandkrise, Rettungsschirme, scheiternde Energiewende, galoppierende Spritpreise – alles nichts gegen den Kampf um das Betreuungsgeld. Nähme man das rhetorische Säbelgerassel ernst, müsste man um den Fortbestand dieses Landes fürchten.

Die Opposition zieht vor das Bundesverfassungsgericht, die Ministerin will nur zahlen, wenn frühkindliche Vorsorgeuntersuchungen absolviert wurden, und die Tarifparteien befürchten – ja was eigentlich –, dass ein paar junge Frauen ein paar Monate länger zu Hause bleiben könnten und damit das Bruttosozialprodukt in Gefahr gerät? Selten noch ist eine Bagatelle von 150 Euro ideologisch so aufgeladen worden.

Die Rückkehr in die mittelalterliche Leibeigenschaft sehen manche Feministinnen voraus, die endgültige Abkehr von einer sinnvollen Sprachintegration manche Sozial- und Bildungspolitiker. Das Bündnis von linken Volksbeglückern und rechten Ökonomen, das man im Familienministerium ausgemacht hat, scheint unüberwindlich. Dabei sind die Hoffnungen Horst Seehofers wahrscheinlich so eitel wie die Befürchtungen der vielen Kritiker. Thüringen kennt das Betreuungsgeld längst, Schweden und Finnland auch. In keinem dieser Länder wurde eine neue „Heimchen-am-Herd-Bewegung“ festgestellt, und auch das Bruttosozialprodukt ist nicht signifikant gesunken. Was an dieser Debatte so nervt, ist ihre manisch-depressive Schrille, die nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch kennt.

Dass sich dabei zwei gefunden haben, die sonst kein gutes Haar aneinander lassen, ist hierbei besonders ärgerlich, denn während die Befürworter des Betreuungsgeldes mit der Wahlfreiheit argumentieren, ist den Volkserziehern gerade diese suspekt. Sie wollen gerade nicht, dass unterschiedliche Rollen- und Familienmodelle nebeneinanderstehen, sie wollen die durchgängige und sofortige Festlegung aller Frauen auf die bezahlte Berufsarbeit.

Längst geht es nicht mehr um die Befreiung der Frau vom Herd, sondern um ihre immerwährende Bindung an den Job. Dass dabei so mancher Kämpfer gegen die Auswüchse des Kapitalismus und für Mindestlöhne und Arbeitermacht sich mit denen verbündet, die gerade billige Arbeitskräfte benötigen, hat schon ein Geschmäckle. Denn die Arbeitgeberverbände wären die Ersten, die im Falle plötzlich steigender Arbeitslosigkeit die jungen Mütter wieder an den Herd zurückkomplementieren würden. Mögen die Weltverbesserer auch hehre Ziele haben, ihre Verbündeten im Unternehmerlager denken allein an die Rendite.

Doch schon einmal, bei der Anwerbekampagne für ausländische Gastarbeiter, musste die Politik am Ende feststellen, dass man Arbeitskräfte wollte und Menschen kamen. Die Spätfolgen dieser nur ökonomischen Betrachtungsweise begleiten uns noch heute. Vielleicht sollte man besser Kinderärzte statt immer nur Arbeitgeber und Gewerkschaften fragen.

Für den ewigen Koalitionsstreit aber gäbe es eine recht einfache Lösung: Man entzieht allen Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken wollen, die Erziehungsberechtigung. So spart man sich das Betreuungsgeld und erreicht alle gesellschaftlichen wie ökonomischen Ziele. Die zu diesem Zweck notwendigen Grundgesetz- und Gesetzesänderungen dürften bei der geballten gesellschaftlichen Macht gegen das Betreuungsgeld wahrlich kein Problem sein.

Die Schnapsidee eines Ausschlusses von Hartz-IV-Empfängern wirkt wie ein Schritt in diese Richtung.

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