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Organisationen wie "Transparency International" oder LobbyControl fordern, dass Politiker immer offen legen müssen, wenn sie Geld aus der Wirtschaft erhalten.

© dpa

Debatte um Politiker-Einkünfte: Deutschland hinkt bei der Transparenz hinterher

In der aktuellen Regelung zur Offenlegung der Nebeneinkünfte macht es keinen Unterschied, ob ein Politiker 7001 oder 70.000 Euro für einen Vortrag kassiert hat. Das lässt Raum für Spekulationen. Damit muss Schluss sein. Ein Plädoyer für eine Neuregelung.

Es war ein Patt, das 2007 zu mehr Transparenz führte. Vor dem Bundesverfassungsgericht wurde damals eine Klage mehrerer Bundestagsabgeordneter gegen die Offenlegung ihrer Nebentätigkeit verhandelt. Die Hälfte der Richter war der Ansicht, dass von Nebentätigkeiten „besondere Gefahren für die Unabhängigkeit“ der Abgeordneten ausgehen, da die Annahme „nicht fern“ liege, dass Einnahmen aus Nebentätigkeiten „Rückwirkungen auf die Mandatsausübung haben können“. Doch reicht eine richterliche 4:4-Entscheidung aus? Wie viel ist diese Form der Transparenz wert, die lediglich zwischen drei Stufen unterscheidet, von 1000 bis 3500 Euro, 3500 bis 7000 Euro und alles über 7000 Euro?

Die Debatte um die Nebeneinkünfte von Peer Steinbrück zeigt, wie schwierig die Frage zu beantworten ist. Dass er Vorträge gehalten hat und dafür bezahlt wurde, ist nicht per se problematisch. Problematisch ist vielmehr die Regel, an die er sich gehalten hat. Die macht aus Steinbrück einen Fall Steinbrück. Denn es ist nun mal ein Unterschied, ob jemand für einen Vortrag oder eine andere Leistung 7001 Euro oder 70 000 Euro erhält. Beides würde derzeit unter dieselbe Kategorie fallen.

Das Urteil der Karlsruher Richter kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Es muss nachgebessert werden. Das haben die Richter selbst damals selbst angemahnt. Passiert ist allerdings nichts.

Es könnte Steinbrücks erster Erfolg sein, wenn er eine Neuregelung auf den Weg bringen würde. Man muss keine amerikanischen Verhältnisse fordern, wo auch ein Kandidat seine gesamten Vermögensverhältnisse offenlegen muss. Wenngleich es auch keine Schande wäre. Aber Deutschland hinkt in vielen Bereichen hinterher, wenn es um Transparenz geht. Die Debatte um die Nebenverdienste von Abgeordneten sind dafür symptomatisch. Statt die Vorteile zu sehen, die die Offenlegung der Nebenverdienste mit sich bringt, wird problematisiert. Da werden Berufs- und Geschäftsgeheimnisse angeführt – als seien sie wichtiger, als das zu beseitigen, was in einer Demokratie wirklich schädlich ist: Raum für Spekulation.

Schon allein der Anschein der Einflussnahme sollte vermieden werden. Auch deshalb hat Peer Steinbrück jetzt ein Aufsichtsratsmandat niedergelegt und angekündigt, keine bezahlten Vorträge mehr zu halten. Wenn aber schon die Vermeidung des Verdachts so wichtig ist, dann dürfen die Transparenzregeln nicht so grobkörnig sein. Sie lassen zu viel Raum für Verdächtigungen. Ja, es geht um eine Güterabwägung, wie so oft. Aber die Erhabenheit über jeden Zweifel sollte für jeden Parlamentarier ein hohes, vielleicht das höchste Gut sein. Denn davon hängt die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Wähler ab. Ist das Vertrauen verspielt, lässt es sich nur sehr schwer zurückgewinnen.

Anstatt jetzt also mit dem Finger auf Peer Steinbrück zu zeigen, sollten sich die Fraktionen im Bundestag zusammensetzen und gemeinsam eine Neuregelung verabschieden. Nur so schafft man Glaubwürdigkeit. Transparenz ist dafür nicht die schlechteste Voraussetzung.

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