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Deutschland altert und schrumpft. Eine Lösung könnte verstärkte Einwanderung sein.

© dapd

Demografie: Es muss etwas geschehen!

Die Menschen in Deutschland werden immer älter - und weniger. Eine verstärkte Einwanderung könnte helfen, meint Stephan-Andreas Casdorff. Eine weitere Alternative wäre Wohlstandsverzicht. Doch wer will das schon?

Der Zukunft wohnt ja inne, dass sie ungewiss ist. Jedenfalls sagen das die klugen Menschen. Nur ist es andererseits so, dass wir immer besser vorhersagen können, wie es sich wohl im Einzelnen bis da- und dorthin entwickelt. Das ist der Fall bei der Alterung unserer Gesellschaft, weil die sich aus den Geburtenzahlen leicht berechnen lässt. Aus wachsender Prognosefähigkeit aber erwächst Prognosesicherheit: Wenn etwas gewiss ist, das morgen noch mehr gilt, dann ist es, dass wir in Deutschland immer älter werden. Und weniger.

Wir wissen das im Übrigen seit längerem, es sind schon mehr oder minder kluge Bücher dazu erschienen, auch schon vor Jahrzehnten Reden im Bundestag dazu gehalten worden, warnende, aber wie das so ist: Wenn wir noch nicht frieren, glauben wir nicht, dass es kalt ist. Der Mensch ist so, da gibt es bisher auch keinen Fortschritt. Beim Blick auf die Zahlen der Gegenwart und der Zukunft müssten wir allerdings zu frieren beginnen.

Demografie wird zur Gefahr für Demokratie, könnte ein Slogan sein, um die gutwilligen gesellschaftlichen Kräfte zu wecken. Weil doch klar ist, wie es kommt, dass die Bevölkerung schrumpft, deutlich sogar, weshalb ganz dringend etwas geschehen muss. Nur erinnert das an die Böll-Geschichte, in der ein Chef jeden Tag durchs Büro und die Abteilungen rennt und ruft, es muss etwas geschehen, alle antworten, es wird etwas geschehen, und das war es dann. Aktuell rennt gerade die Kanzlerin rufend durchs Büro.

Was jetzt geschehen müsste, wäre neben allen bereits erörterten Anstrengungen in der Familienpolitik und -förderung eine verstärkte Einwanderung. Oder wollen wir in unserer Volkswirtschaft 2050 mit bloß noch 50 Millionen Menschen in Deutschland dastehen? Millionenfach müsste die Einwanderung eigentlich sein, dazu mit dem Anspruch verbunden werden, dass es qualifizierte Einwanderer sind; oder solche, die sich hier qualifizieren. In Berlin studieren zum Beispiel enorm viele Ausländer, aber zu wenige bleiben. Und das ist nur eines von vielen Beispielen.

Die Alternative zur Einwanderung wäre Wohlstandsverzicht. Doch wer will das schon, ganz platt gesagt? Dafür gibt es in Deutschland zurzeit bestimmt ebenso wenig eine politische Mehrheit wie für eine gezielte und geradezu millionenfache Einwanderung. Hinzu kommt, dass Wohlstandsverzicht Verzicht auf Leistungen unserer sozialen Sicherungssysteme bedeutet, genauer gesagt eine stramme Kappung. Wer damit im Wahlkampf antritt, ist auch schon tot.

Mehr noch, es gibt eine Wechselwirkung zwischen der Einwanderung und den Sozialsystemen. Auch weil sie in Deutschland so effektiv und gut ausgestattet sind, kommen manche Menschen hierher und wollen bleiben. Manche, wohlgemerkt. Das beklagen die Rechten dann immer zu lautstark. Fakt ist: Die Einwanderung von Qualifizierten wäre eine Zuwanderung in die Sozialsysteme, aber eben eine gewollte, keine beklagte, denn es wären in jedem Fall qualifizierte Beitragszahler, die der Allgemeinheit helfen.

Zugleich allerdings bedeutete das eine – weitere – Revolution des bisherigen Denkens: Wir müssten uns verabschieden vom Bild des „Biodeutschen“. Deutsch wäre dann, wenn es so wäre, mehr oder weniger eine Beschreibung des Umstands, dass jemand in einer bestimmten Region Europas ansässig ist. Deutsch sein als Nationalmerkmal würde ein verblassender Mythos.

Bis es so weit ist, müssen wir aber wohl erst mal richtig frieren.

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