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Meinung: Demokratische Neocons

Ein Machtwechsel würde die Außenpolitik der USA kaum ändern Von Jacob Heilbrunn

Vor kurzem hat mir ein politischer Analyst mit engen Verbindungen zur demokratischen Partei anvertraut, wie er schnell reich werden könne: Er will eine Digitaluhr vermarkten, die die Zeit zählt, die von Bushs Amtszeit noch übrig ist. Vielleicht ist das keine Schnapsidee, sondern eine, deren Zeit gekommen ist. Sowohl in den USA wie in Europa trösten sich Gegner von George W. Bush mit einem Gedanken: In zweieinhalb Jahren wird seine katastrophale Präsidentschaft zu Ende sein. Und wenn er einmal weg ist, so die Idee, können die Demokraten an die Macht zurückkehren und der Albtraum wird vorbei sein. Oder etwa nicht?

Ein von neuem Selbstbewusstsein erfüllter Flügel der Demokraten fordert schon jetzt etwas komplett anderes. Diese Demokraten wollen eine Eindämmung des Iran, keine Entspannung. Sie wollen eine Konfrontation mit dem Terrorismus. Und sie wollen eine militarisierte USA. Diese Falken verdammen Bush nicht so sehr wie den linken Flügel der Demokratischen Partei, von dem sie sagen, er sei eine Garantie für eine Katastrophe. Die konservativen Demokraten wollen weder auf Militäraktionen verzichten noch darauf, Menschenrechte auf dem ganzen Globus zu fördern. Sie sagen, das Problem besteht nicht in Bushs Zielen, sondern in der Art, wie er sie verwirklichen wollte. Sie glauben, dass die Demokraten nie die Präsidentschaftswahlen gewinnen können, wenn sie in der Außenpolitik als weich angesehen werden.

Es war niemand anderes als Hillary Clinton, die sich geweigert hat, den Irakkrieg zu verurteilen und die versucht, ihr sicherheitspolitisches Profil zu schärfen und die in harschen Worten über die Notwendigkeit von Militäreinsätzen im Ausland sprach, seit sie Senatorin für New York wurde. Andere Falken, die sich auf das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur vorbereiten, sind der ehemalige Gouverneur von Virginia, Mark Warner, und der Gouverneur von Iowa, Tom Vilsack. Dieses Denken ist nun so weit verbreitet, dass sogar führende Neocons sagen, es sei vielleicht gar nicht so schlimm, wenn die Demokraten die Macht übernehmen und dass sich dadurch nicht viel ändern würde. Man denke nur an Robert Kagan, der die Idee in die Welt gesetzt hat, dass Amerikaner vom Mars und Europäer von der Venus stammen. In der „Washington Post“ fragt Kagan: „Könnte es sein, dass die Vereinigten Staaten besser dran wären, wenn 2009 ein Demokrat an der Macht ist?“ Seine Antwort lautet: Ja, solange es ein konservativer Demokrat ist. Denn der könnte Bushs Außenpolitik zu einer parteiübergreifenden Angelegenheit machen. So die Europäer möglicherweise entdecken, dass der Neokonservativismus nur ein Begriff ist für einen langfristigen, historischen amerikanischen Impuls, die Welt zu verbessern, mit allen Mitteln, die dazu nötig sind.

Der missionarische Geist des Neokonservatismus stammt ja tatsächlich von Woodrow Wilson, der wollte, dass der Erste Weltkrieg der „Krieg, der alle Kriege beendet“ sein solle, was er nicht war. Heute will Bush, dass der Krieg gegen den militanten Islam der Krieg sein wird, der die terroristische Gefahr ausschaltet, was er nicht sein kann. Weil der Makel von Täuschungen und Lügen im Zusammenhang mit Bushs Irakkrieg immer klarer wird, haben viele Amerikaner, besonders Mitglieder der Republikanischen Partei, begonnen zu realisieren, dass Bush kein fehlerhafter Führer ist, sondern ein katastrophaler. Er ist der Kaiser Wilhelm der USA, ein nutzloser und impulsiver Sohn, der nicht an seinen vorsichtigen Vater heranreicht und umgeben ist von gefährlichen Beratern. Man kann nur hoffen, dass die Demokraten von ihren Wahlniederlagen und den Vorwürfen von Schwäche nicht so traumatisiert sind, dass sie nun die Führung übernehmen beim nächsten Kreuzzug im Ausland.

Es wäre eine große Ironie der Geschichte, wenn die Außenpolitik Bushs von den Republikanern verworfen wird, nur, um dann in den Wahlen 2008 von den Demokraten übernommen zu werden. In diesem Fall würde die Uhr der Bushregierung nicht ablaufen, sie würde neu aufgezogen werden. Für Europäer wäre solch eine Entwicklung wohl überraschend und ärgerlich, aber es gäbe einen kleinen Trost: Sie könnten die Amerikaner weiter anklagen und sich selbst ob ihrer Überlegenheit rühmen gegenüber der rohen, simplen und rücksichtslosen Neuen Welt.

Der Autor ist freier Publizist und lebt in Washington. Er schreibt derzeit ein Buch über die Neocons. Übersetzt von Clemens Wergin.

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