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Meinung: Der Allfinanz-Konzern: Geniale Idee oder Gemischtwarenladen?

Aller guten Dinge sind drei. Erst durfte es die Deutsche, dann die Commerzbank versuchen.

Aller guten Dinge sind drei. Erst durfte es die Deutsche, dann die Commerzbank versuchen. Jetzt hat die Allianz die Dresdner Bank übernommen. Es entsteht der erste deutsche Allfinanz-Konzern, der ein Vermögen von 1000 Milliarden Euro verwaltet und ein Aktienvolumen im Wert von 110 Milliarden Euro zusammenbringt. Das ist das Doppelte der Deutschen Bank, ein Koloss, wie das "Wall Street Journal" schreibt. Und alle sind glücklich. Paul Achleitner, der Finanzvorstand der Allianz, ist glücklich, weil er bewiesen hat, was alle ihm zugetraut haben: dass er die deutsche Finanzlandschaft gründlich durcheinander wirbeln werde. Und Bernd Fahrholz, der Dresdner-Chef, ist ebenfalls glücklich, weil ihm ein großer Deal ganz und gar friedlich gelungen ist. Glücklich sind auch Münchener Rück und Hypovereinsbank, die ihren eigenen Allfinanz-Konzern zimmern.

Eine Meisterleistung? Auf den ersten Blick sieht es so aus. Das neue Zauberwort heißt Allfinanz. Dahinter steckt die Idee, dem Kunden alle Produkte seiner Vermögensanlage aus einer Hand anzubieten, von der Altersvorsorge über die Eigenheimfinanzierung bis zum Investmentfonds. Aus Sicht der Finanzwirtschaft sind Versicherungspolicen prinzipiell nichts andereres als Sparbücher, Fonds oder Festgelddepots.

Die Idee ist simpel. Warum sind Banker und Versicherer nicht schon früher darauf gekommen? Schon einmal hat die deutsche Finanzwirtschaft Ende der 80er Jahre mit dem Allfinanz-Konzept geliebäugelt. Damals sei die Zeit noch nicht reif gewesen, heißt es heute. Das stimmt. Denn durch Computerisierung und Internet sind die Vertriebswege für Finanz- und Versicherungsprodukte einfacher und für den Bankmitarbeiter besser beherrschbar geworden. Wichtiger noch: Die Privatisierung der Altersvorsorge ist erst heute das große Thema einer alternden Gesellschaft, in welcher die staatliche Rente an ihre Grenzen gekommen ist. Das wissen nicht nur die Bürger, das weiß auch die Finanzwirtschaft - und wittert großes Geschäft.

Ob das Allfinanz-Konzept aufgeht, ist indessen alles andere als gewiss. Mindestens drei Unsicherheitsfaktoren sind zu erkennen: Die Kunden, die Mitarbeiter und die Kapitalmärkte. Warum sollen die Kunden alles aus einer Hand kaufen? Sie werden - wenn es ums Geld geht - sicherlich die Empfehlung vieler Ratgeber einholen und sich gerade nicht auf ein Institut verlassen. Und sie werden hoffentlich zum Wettbewerber gehen, wenn dieser überzeugend eine bessere Rendite für seine Lebensversicherung verspricht als die Dresdner-Allianz. Zugegeben, Bankkunden sind fast so markentreu wie Biertrinker und Zeitungsleser. Darauf setzt das Allfinanz-Konzept. Doch das muss nicht immer so bleiben. Und zugleich muss das Allfinanzkonzept in den Köpfen der Mitarbeiter verankert werden. Ein Dresdner-Bank-Mitarbeiter, der bislang immer an erster Stelle den bankeigenen Investmentfonds DIT verkauft hat, soll jetzt plötzlich mit gleicher Priorität Versicherungs-Produkte anbieten. Das setzt zumindest viel interne Schulung voraus - wird also dauern.

Völlig offen ist schließlich, was die Kapitalmärkte vom Allfinanzkonzept halten werden. Die Aktien von Allianz und Dresdner haben zwar positiv auf die Übernahme reagiert, Freudensprünge waren das aber nicht. Dafür gibt es Gründe: Denn man kann den neuen "integrierten Finanzkonzern" auch als Konglomerat deuten. Ein neuer Gemischtwarenladen also. Die Kapitalmärkte lieben solche Konglomerate gar nicht. Daimler-Benz (vor der Ära Schrempp) kann ein Lied davon singen, die Bayer AG auch. Ein Allfinanz-Konzern will das unternehmerische Risiko streuen: Wenn die Börsen darben, verkauft man eben Versicherungen, heißt es. Oder umgekehrt. Das klingt clever. Doch es könnte auch auf Unentschlossenheit schließen lassen. Was ist wirklich die Kernkompetenz des neuen Konzerns? Wer alles ("Allfinanz") kann, kann womöglich nichts richtig? Synergieeffekte durch die Übernahme sind ausdrücklich nicht vorgesehen. Ob das plausibel ist? Paul Achleitner wird alles tun, die Märkte von der Vernunft der Dresdner-Übernahme zu überzeugen. Am Aktienkurs des neuen Unternehmens wird man bald die Antwort ablesen können.

Rainer Hank

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