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Meinung: Der alte Rebell

Horst Seehofer soll die CSU retten – doch ein Austausch von Gesichtern allein reicht nicht

Von Robert Birnbaum

Die CSU macht Fortschritte. Sie braucht nicht mehr quälende Wochen, um einen offenkundig unhaltbar gewordenen Parteivorsitzenden zum Rücktritt zu schubsen. Zwei Tage hat Erwin Huber gebraucht, bis er nach dem Wahldesaster in Bayern das Amt zur Verfügung gestellt hat. Nun muss man der Fairness halber sagen: Wäre es nach ihm gegangen, hätte er vielleicht schon am Wahlabend den Stuhl geräumt. Er hat noch die Stellung – und seine völlig unhaltbare Generalsekretärin – gehalten, um keine Kettenreaktion auszulösen. Die hätte Günther Beckstein nämlich gleich mit erwischt. Das hätte einen radikalen Neuanfang erzwungen. Aber so weit ist die CSU noch nicht.

Horst Seehofer zum neuen Parteichef zu machen ist ja eine logische Lösung. Der ist kaum jünger als sein Vorgänger und wie dieser noch mit dem Ancien Regime verbunden, dem die Bayern gerade ziemlich umfassend das Vertrauen entzogen haben. Aber Seehofer hat es zugleich verstanden, sich den paradoxen Status eines staatlich anerkannten Rebellen zu bewahren. Er war in dieser Rolle stets sowohl ganz CSU als auch nicht so ganz CSU. Und er hat etwas, was Huber zuletzt völlig abging: Er kann sowohl in Zelten als auch im Fernsehen überzeugend auftreten.

Der Austausch an der Parteispitze ist also schon richtig. Die Frage ist nur: Und was weiter? Die Frage richtet sich als Nächstes an den Ministerpräsidenten. Becksteins Anteil an der Niederlage ist nicht so viel kleiner als der von Huber. Warum soll er dann im Amt bleiben? Ein guter Grund könnte allenfalls darin liegen, dass die CSU – bei allem Reden vom Ende einer Ära und dem Verlust des Mythos – mit 43 Prozent immer noch eine ungewöhnlich starke Partei ist. Sie muss darum sehr genau abwägen, wie viel Erneuerung – auch personell – nötig und wie viel dann doch des Guten zu viel sein könnte.

Nur leider bleibt Beckstein – zumindest vorerst – im Amt nicht aus solch guten, sondern aus schlechten Gründen. Es gibt in der CSU einfach kein gestandenes Mannsbild, das als erster Mann in der Staatskanzlei nicht mindestens genauso schlecht aussähe wie er. In der Partei gibt es viele talentierte Junge. Aber in der mittleren Generation, die jetzt eigentlich das Heft des Handelns in die Hand nehmen müsste, herrscht Ödnis.

Nicht wenige fordern darum, dann müsse Seehofer eben beide Ämter übernehmen, alles in einer Hand vereint, Schluss mit den Reibungsverlusten und Problemen, die jede Doppelspitze unvermeidlich mit sich bringt!

Ob man Seehofer das wirklich wünschen kann? Die Erwartungen, die sich in der Notlage auf einen Einzelnen an der Spitze fokussieren, sind fast übermenschlich. Andererseits – mit Beckstein weiterzumachen ist ein Risiko, schon weil es ein Signal des „Weiter so“ wäre. Aber was der CSU in diesem Wahljahr fehlte, war nicht ein Signal der Beständigkeit, sondern eine Vision für die Zukunft. Wenn sie die nicht schnell, gründlich und überzeugend nachliefert, sind die nächsten Niederlagen programmiert. Der Austausch von Gesichtern ist nötig. Aber er reicht nicht.

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