zum Hauptinhalt

Meinung: Der Arzt als Patient

Röslers neues Gesetz zeigt: Ein FDP-Chef sollte lieber nicht Gesundheitsminister sein

Es sollte der große gesundheitspolitische Aufschlag werden – ein Gesetz einmal nur fürs Patientenvolk und die nachgereichte Entschädigung für die Zumutungen der jüngsten Gesundheitsreform. Doch Philipp Röslers Triumph, seine zweites Werk relativ geräuscharm hinbekommen zu haben, verpuffte am Freitag schon bei der Präsentation. In diesem Arbeitsbereich eignen sich nicht einmal offensichtliche Erfolge zur Vermarktung für den frisch angetretenen Hoffnungsträger einer abgewirtschafteten Partei. Röslers Versorgungsgesetz zeigt vielmehr – übergroß und nur drei Tage nach dem Kuschelputsch in der FDP – das Dilemma des künftigen Parteichefs, der gleichzeitig Gesundheitsminister sein und bleiben muss.

Röslers neues Vorhaben an sich ist verdienstvoll. Ärzte sollen besser verteilt, ihrem Mangel auf dem Land soll begegnet werden. Damit ließe sich, sollte man meinen, auch bei den Bürgern punkten. Sie wollen nicht hundert Kilometer bis zum nächsten Facharzt oder Klinikum fahren müssen, sie wünschen sich Versorgung vor Ort und zwar qualitativ möglichst hochwertig.

Doch selbst, wenn das erdachte Anreizsystem für Ärzte funktioniert – die Betroffenen werden vorerst nichts davon zu spüren bekommen. Das Gesetz ist Prophylaxe. Es beschert den Patienten kurzfristig keinen Mediziner mehr. Und der FDP deshalb auch keine zusätzliche Wählerstimme. Systemstabilisierung – die Kernaufgabe jedes Gesundheitsministers – ist ein undankbares Geschäft. Egal wie man sie betreibt, sie kostet vor allem. Kassenbeiträge, Steuergelder. Wie sich das mit dem liberalen Ruf nach Beitrags- und Steuersenkung verträgt, den noch jeder FDP- Chef anstimmen musste? Gar nicht.

Und dann das triste Alltagsgeschäft – ebenfalls zu besichtigen an den frisch produzierten Eckpunkten des Gesetzes. Sie sind so verquast formuliert wie fast alles in der Gesundheitspolitik. Sonderbedarfszulassungen, Regelleistungsvolumina – kein Laie versteht das. Und auch der klügste Gesundheitsminister verstrickt sich in solchem Fachchinesisch. Man darf gespannt sein, wie der künftige FDP- Vorsitzende in den Talkshows seine Verdienste als Ressortchef darlegen wird – und ob ihm irgendeiner dabei folgen kann.

Wenn ja, dann wird derjenige feststellen, dass die Ergebnisse dünn sind. Das liegt auch am System. Im Grunde darf ja kein Politiker der Selbstverwaltung aus Kassen und Ärzten wirklich reinreden. Röslers Versorgungsgesetz mussten zudem die Länder billigen. Kein Wunder, dass fast nur Empfehlungen herauskamen, ein Kompromiss wieder mal auf kleinstem Nenner. Nur noch Zweibettzimmer in den Kliniken? Kein Thema mehr. Schnellere Terminvergabe beim Facharzt? Der Wettbewerb wird’s schon richten. Die Enthaltsamkeit passt zur FDP. Aber ob die Bürger, die zu 90 Prozent Kassenpatienten sind, das goutieren?

Aus seinem Beritt kann der Parteichef in spe nur Unpopuläres präsentieren, Enttäuschung, neue Belastung. Demnächst kommen auf breiter Front nach oben offene Zusatzbeiträge. Der Wähler wird sich erinnern, wer sie ihm eingebrockt hat. Das Versäumnis, dem Wirtschaftsminister das Ressort nicht abgerungen zu haben, wird sich rächen. Für Rösler. Und für die FDP.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false