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Meinung: Der Beste ist nicht gut genug

Der neue Wirtschaftssenator Berlins ist nur ein solider Handwerker

Von Gerd Nowakowski

Ein Fraktionsvorsitzender kann alles, hat Harald Wolf kürzlich mit Verweis auf den Karrieresprung von SPD-Fraktionschef Peter Struck gesagt. In Berlin gibt es keinen Verteidigungssenator. Dafür nominiert die PDS ihren Fraktionschef Wolf für das Amt des Wirtschaftssenators, nur fünf Tage nach dem überraschenden Rücktritt von Gregor Gysi.

Mit Harald Wolf ist die PDS in Berlin wirklich im Westen angekommen – allerdings nur zahlenmäßig: Zwei ihrer drei Senatoren stammen aus der alten Bundesrepublik. Der Ex-Trotzkist und ehemalige Grüne Wolf hat die Irrungen und Wirrungen der westdeutschen Linken mitgemacht.

Doch erobern wird die PDS mit Harald Wolf den Westen damit noch lange nicht. Im Gegenteil. Der unauffällige, nüchterne Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus ist der Gegenentwurf zum Medienstar Gregor Gysi. Wo der mit Charme und Eloquenz brilliert, beeindruckt Wolf mit solidem Wissen. Wolfs Revier ist die Fraktion, wo der Finanzexperte aus dem Hintergrund geräuschlos dafür sorgt, dass die rot-rote Koalition klappt.

Für das Amt des Wirtschaftssenators ist anderes gefragt. Vorgänger Gregor Gysi hat die Latte hoch gehängt. Er war in seinem Amt einer für alles: Für den Osten, für den Westen und für die Akzeptanz bei den Unternehmern. Gysi hat Rot-Rot erst attraktiv gemacht, der kompetente Harald Wolf wird das Bündnis im besten Fall erträglich machen. Für eine Stadt am Rande der Insolvenz, die dringend neue Jobs und Investoren braucht, die Unternehmer neugierig machen will auf die Stadt im Wandel, ist das zu wenig. Berlin läuft die Zeit weg, die Schuldenuhr tickt. Bei allem Fleiß, den Wolf mitbringt – die Ausstrahlung, die Türen öffnet bei den großen Unternehmen, besitzt er nicht. Der Star ist weg; mit Wolf wird der Senat zum Arbeitsbündnis ohne Strahlkraft.

Verantwortlich für diese Entwicklung ist der Regierende Bürgermeister. Künftig regieren die Haushälter, denn Wowereit saß jahrelang im Haushaltsausschuss neben Wolf. Klaus Wowereit hat sich für die kleine Lösung, nicht den großen Wurf entschieden. Bloß kein Krisengerede zulassen. Eine möglichst geräuschlose Nachfolgeregelung für Gysi war der SPD offenbar wichtiger als die Debatte, wie Berlin sich bundesweit darstellen will.

Der PDS ist das nicht anzulasten, denn sie hat mit Harald Wolf ihren besten Mann vorgeschlagen. Genau das aber ist das Problem der Sozialisten: Die Partei hat nur einen Gysi – dahinter geht der PDS das Führungspersonal aus. Doch Wowereit scheute den Konflikt mit den Sozialisten, denen nach dem Koalitionsvertrag das Wirtschaftsressort zusteht. Die Koalitionsdisziplin siegte. Die Suche nach einer – parteilosen – Persönlichkeit, sie wurde gar nicht erst begonnen. Glaubt Wowereit, ohne den populären Gysi als Konkurrenten an seiner Seite könne er mehr strahlen? Dabei zieht doch eine schwache PDS auch die SPD nach unten.

Der Senat denkt in klein-klein, wo die Probleme der Stadt immer größer werden. Die sozialdemokratischen Techniker der Macht verabschieden sich sechs Monate nach dem Start der SPD-PDS-Koalition von der bundespolitischen Bühne. Gregor Gysi hat als Senator vorgemacht, was die Stadt braucht. Er hat sich nie auf die Rolle als Fachsenator beschränkt, sondern über Berlin hinaus gedacht. Gysi hat die Debatte um die Frage angestoßen, was der Bundesrepublik die Hauptstadt wert sein sollte, hat offensiv die Hilfe des Bundes angemahnt. Der PDS-Star war Parteisoldat und überparteilicher Denker gleichzeitig, strenger Sozialist und aufmerksamer Zuhörer. Eine Rolle, die Harald Wolf nicht spielen kann.

Nun werden statt des Überfliegers die Handwerker regieren. Ein Senat, der ruhig arbeitet, der allein darauf setzt, keine negativen Schlagzeilen zu produzieren, aber ist zu wenig für eine bankrotte Stadt, die ihre Rolle als Hauptstadt noch nicht gefunden hat.

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