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Meinung: Der böse Bachelor

Konservative und Linke wehren sich gegen die neuen Studienabschlüsse – zu Unrecht

Eine junge Frau mit nassen Haaren läuft im Neoprenanzug über einen Strand, unter ihrem Arm klemmt ein bunt bemaltes Surfbrett. Offenbar handelt es sich um eine Studentin, die sich ihrem Bachelor-Studium widmet. Denn das Foto stammt von der Homepage des britischen Swansea Institute of Higher Education, das einen Bachelorabschluss in „Surf and beach management“ anbietet. Schwerpunkte sind „Surf Expedition“, „Outdoor Adventure Management“ und natürlich „Surf Skills“.

Unlängst berichtete die Zeitung des Hochschulverbands, der konservativen deutschen Professorenvertretung, über solche „Micky Maus B.A.s“ an britischen Universitäten – Sinnbilder des Niveauverlusts, der auch Deutschland mit dem Bachelor drohe. Nach sechs bis acht Semestern sollen die Studierenden diesen ersten „berufsbefähigenden“ Abschluss erreicht haben. Zum aufbauenden Master mit weiteren zwei bis vier Semestern soll nicht jeder zugelassen werden. Kann das gut gehen, nach sechs Semestern in den Beruf?

Heute wollen die europäischen Bildungsminister im norwegischen Bergen Bilanz über die 1999 in Bologna beschlossene Vereinheitlichung der Studienabschlüsse ziehen. In Deutschland wehren sich Konservative und Linke gemeinsam gegen das vermeintliche „Dumping-Studium“. Dabei verdrängen sie noch immer die Zustände an den deutschen Universitäten. Jahrzehntelang haben die Unis den Studierenden Lebenszeit gestohlen, in dem sie sie lieblos in kaum studierbare Studiengänge gesteckt haben. Die Abbrecherquoten lagen (und liegen) in vielen Fächern zwischen 60 (Bauingenieurwesen) und 80 Prozent (Germanistik), wer doch durchkommt, schafft es oft erst nach sieben bis zehn Jahren.

In den neuen Studiengängen würden die Absolventen in ein „akademisches Proletariat“ (Bachelor) und eine „Elitekaste“ (Master) gespalten, heißt es aus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Dabei ist gerade die heutige Universität eine elitäre Veranstaltung – im schlechtesten Sinne. In ihrem Chaos bleibt mancher stecken, der zwar das geistige Zeug zur Uni hat, nicht aber den Biss, sich durchzuboxen. Einer Studie zufolge machen 71 Prozent der Abbrecher Unübersichtlichkeit und schlechte Betreuung für ihren Entschluss verantwortlich.

Viele Abiturienten, die heute noch von dem Moloch Uni abgeschreckt werden, wird das Bachelorstudium zu einer Studienentscheidung bewegen – und Deutschland braucht mehr Akademiker. Genau davor haben aber die Konservativen Angst. Sie fürchten nicht wie die Linken die Elitenbildung, sondern im Gegenteil einen neuen Massenansturm und den Verfall des Niveaus. Das ist aber keine Gefahr, wenn die Bildungsreformen vom Kindergarten an greifen. Wird in der Breite besser ausgebildet, steigt das Niveau in der Spitze, zeigt die Pisa-Studie.

Wenn die Unis ihre Hausarbeiten machen und neue Studiengänge auf die Beine stellen, kann ein Bachelor-Student nach drei Jahren so viel gelernt haben wie ein Magister in fünf Jahren. Denn statt des bisherigen Schlendrians herrschen klare Anforderungen. „Die Studenten müssen viel mehr leisten als wir damals“, staunen etwa in Berlin jüngere Dozenten.

Vielen, die hämisch über jede Kinderkrankheit des Bachelors herfallen, geht es um eigene Freiheiten. Die Kurse dürfen sich nicht mehr mit abseitigen Themen befassen, die Hausarbeiten nicht erst nach Monaten zurückgegeben werden, ständig wird geprüft.

Die Wirtschaft jedenfalls steht hinter der Reform. Schon jetzt kommen Bachelorabsolventen genauso schnell unter wie die Absolventen alter Studiengänge. 98 Prozent der Bachelorabsolventen bereuen ihre Entscheidung nicht.

Europas Bildungsminister haben vor sechs Jahren verabredet, dass bis 2010 alle Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt sein sollen. Wenn es in Deutschland mit der Reform nicht vorangeht, könnten deutsche Studenten bald isoliert dastehen. Vor allem könnten sie um die Vorzüge der neuen Studiengänge gebracht werden. Sie sollten mit den Füßen abstimmen.

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