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Meinung: Der Druck auf Israel wird größer

Die USA könnten die Regierung Netanjahu bald zu Friedensgesprächen zwingen.

Israel hat endlich eine neue, eine andere und wahrscheinlich auch eine bessere Regierung. Benjamin Netanjahu bleibt zwar Regierungschef. Doch statt der nationalistischsten Regierung aller Zeiten steht er nun einer Koalition vor, in der auch gemäßigtere Kräfte mitreden. Netanjahu, dessen Gesellschafts- und Sozialpolitik weitgehend gescheitert ist, wird sich nun wohl auf die Sicherheits- und Außenpolitik konzentrieren. Er will sich um die Verhinderung der atomaren Aufrüstung des Iran, um die Bedrohung durch die Auswirkungen des Bürgerkrieges in Syrien und das Erstarken islamistischer Kräfte in der arabischen Welt kümmern. Dies als entscheidender Regierungschef, aber auch als amtierender Außenminister, solange der frühere Amtsinhaber Avigdor Lieberman wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch und Korruption vor Gericht steht.

Das wichtigste Problem allerdings, dasjenige der Beziehungen und der Verhandlungen mit den Palästinensern, wurde nicht nur im Koalitionsabkommen offengelassen. Netanjahu überlässt formell die eventuelle Verhandlungsführung der neuen Justizministerin Zippi Livni. Um die laut ausgesprochenen Befürchtungen der Siedler über eine „Kapitulation“ Livnis in den Verhandlungen und damit über eine Gefahr für die Siedlungen zu besänftigen, wurde einer der stursten Siedleranführer zum Wohnungsbauminister ernannt, um so die Erfolgschancen jeglicher Verhandlungen zu verbauen. Lieberman erklärte am Montag zudem noch präventiv, dass ein erneutes Einfrieren der Siedlungsaktivitäten nicht infrage komme.

Trotzdem besteht zumindest die theoretische Chance, dass es unter der neuen Regierung doch noch vorwärts geht in Sachen Konfliktlösung. Langsam zwar und sehr vorsichtig. Aber immerhin und möglicherweise schon sehr bald. Erstens hat sich Netanjahu in der letzten Zeit erneut auf die Lösungsformel „Zwei Staaten für zwei Völker“, einschließlich der Gründung eines arabischen Palästinas, verpflichtet. Zweitens steigt spürbar der Druck aus dem Ausland. Es drohen gar Sanktionen in nicht allzu ferner Zeit. Drittens steigt die Gewaltbereitschaft auf der palästinensischen Seite. Es gibt nicht wenige Experten, die sogar mit einer dritten Intifada rechnen.

Viertens stehen in dieser Woche der „historische“ Besuch Barack Obamas (ab Mittwoch) und seines Außenministers John Kerry (ab Dienstag) an. Obama entschärfte in einem ausführlichen Interview mit einem israelischen Fernsehsender zwar bereits im Vorhinein das Hauptthema seines Besuchs: Wenn mit Teheran innerhalb eines Jahres keine Verhandlungslösung gefunden werde, halte er sich alle Optionen offen. Auch und wohl vor allem diejenige eines militärischen Schlages. Netanjahu wird also seine Angriffspläne in der Schublade behalten müssen. Auch Obama bringt keinen Plan zur Lösung des Nahostkonfliktes in seinem Gepäck mit.

Doch Kerry wird sich intensiv um eine solche bemühen. Und wenn alles nicht helfen sollte, dann ist damit zu rechnen, dass Washington innerhalb eines halben Jahres dazu übergehen wird, Israel zu Verhandlungen zu zwingen. Spätestens dann muss Netanjahu Farbe bekennen. Sonst drohen seiner Regierung Richtungskämpfe, die zu ihrem Ende führen könnten.

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