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Meinung: Der Ehrliche bleibt der Dumme

Auch die neue EU-Regelung zur Zinsbesteuerung wird die Hinterziehung nicht so rasch beenden

Von Antje Sirleschtov

Endlich wird das jahrelange Gefeilsche der Europäer um das Kapital ihrer Nachbarn wenigstens eingedämmt, wenn schon nicht beseitigt. Über ihr Ziel waren sich die 15 Finanzminister seit langem einig: die Steuerflucht einzudämmen. Nun haben sie sich auch zu einer gemeinsamen Position durchgerungen und sich auf einheitliche Regeln zur Besteuerung von Zinserträgen ausländischer Anleger geeinigt.

Wer allerdings glaubt, dass mit dieser Regelung zur Zinsbesteuerung der europäischen Steuerhinterziehung ein für alle Mal ein Riegel vorgeschoben ist, liegt falsch. Denn Frankreich, Portugal, Griechenland und all die anderen Nachbarn, mit denen Finanzminister Hans Eichel ab 2004 einen Informationsaustausch vereinbart hat, sind nicht die bevorzugten Ziele von Deutschen, die Geld in Koffern außer Landes bringen. Deren Kapital liegt vielmehr in Österreich, Luxemburg und Belgien.

Und dort wird es auch in Zukunft auf anonymen Konten bleiben und Zinsen abwerfen können. Die Banker dieser Länder dürfen sich nun sogar über einen Zulauf von all den deutschen Anlegern freuen, deren Augenmerk in erster Linie darauf liegt, unentdeckt zu bleiben.

Die Anonymität wird sie zwar, wie es die EU-Minister vereinbart haben, bald 15, 20 oder 35 Prozent ihres Ertrages in Form einer Quellensteuer kosten. Doch das stört nur wenige. Teilen ist ihnen allemal angenehmer, als entdeckt zu werden und am Ende den Steuerfahnder im Haus zu haben.

Eichels Pläne, gewerbsmäßigen Schwarzgeldbetrügern und Geldwäschern das Handwerk zu legen, hat die Einigung der Finanzminister also kaum befördert. Und seinem Ziel, bald 100 Milliarden Euro Schwarzgeld auf deutschen Konten zurückfließen zu lassen und sie besteuern zu können, ist Deutschlands Kassenwart nur ein ganz kleines Stück näher gekommen.

Auch sein Traum, in absehbarer Zeit den europaweit gläsernen Steuerbürger zu haben, wird so schnell nicht in Erfüllung gehen. Denn dem in Brüssel vereinbarten Informationsaustausch müssen sich Österreich, Luxemburg und Belgien nach 2010 nur dann anschließen, wenn auch die Schweiz dem Pakt beitritt. Und danach sieht es nicht aus. Die Schweizer sperren sich zwar nicht gegen eine Quellensteuer. Doch das eidgenössische Bankgeheimnis wollen sie nicht aufgeben. Nicht jetzt – und wohl auch nicht in acht Jahren.

Warum also sollen dann deutsche Banken dem Finanzamt in Zukunft Meldung machen, wenn ihre Kunden mit Kapital Geld verdienen? Dem Prinzip der Steuerehrlichkeit wird auch mit der von der Bundesregierung geplanten Abgeltungssteuer Rechnung getragen. Die Kontrollmitteilung aber soll ganz offensichtlich noch anderen Zwecken dienen. Wenn es, wie Gesundheitsministerin Schmidt will, zu einer Anrechnung von Vermögenserträgen bei der Pflegeversicherung oder der Krankenversicherung kommt. Oder wenn doch noch einmal über eine Vermögensteuer nachgedacht wird.

Wer steuerehrlich werden möchte, der wird das nun auch ohne Kontrollmitteilung. Wer aber auch in Zukunft im Dunkeln bleiben will, dem haben die EU-Finanzminister mit ihrer gespaltenen Einigung gezeigt, in welche Richtung er fliehen muss.

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