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Meinung: Der Fall Leuna: Ein Verdacht ist noch keine Wahrheit

Leuna - ein Ort, ein Name, ein Synomym: Was da alles mitschwingt! Leuna hat als Begriff inzwischen eine Bedeutung erlangt, die weit über Deutschland hinausreicht: Weil es um den Verdacht geht, dass das größte deutsch-französische Gemeinschaftsvorhaben nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht sauber war.

Leuna - ein Ort, ein Name, ein Synomym: Was da alles mitschwingt! Leuna hat als Begriff inzwischen eine Bedeutung erlangt, die weit über Deutschland hinausreicht: Weil es um den Verdacht geht, dass das größte deutsch-französische Gemeinschaftsvorhaben nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht sauber war. Dass der von Helmut Kohl gewünschte und von François Mitterrand unterstützte Verkauf der riesigen DDR-Raffinerie 1992 an den damaligen Staatskonzern Elf Aquitaine von Schmiergeldzahlungen begleitet worden sein könnte - und zwar auch an die damals in Bonn regierende CDU.

Der Fall hält sich in der allgemeinen Aufmerksamkeit, weil es dabei immer noch um den Ruf Deutschlands und seiner damaligen Regierung unter dem "Kanzler der Einheit" geht. Der Verdacht hält sich aber auch, weil manche den Eindruck nähren, von staatlicher Seite werde nicht mit letzter Konsequenz ermittelt - eben weil es um Deutschlands Ruf geht. Wer die Wahrheit kennen will, muss sie suchen. Der lange ermittelnde Genfer Generalstaatsanwalt Bernard Bertossa findet, dass sie bei seinen Kollegen in Deutschland nur routinemäßig gesucht wird. Seine Belege: Er ist seine umfänglichen Akten bei keiner deutschen Staatsanwaltschaft losgeworden, hat sich dann damit an die Öffentlichkeit gewandt und sie zu guter Letzt an den deutschen Generalbundesanwalt Kay Nehm weitergeleitet.

Werden jetzt die bisherigen Vernehmungen den letzten Aufschluss geben? Das ist die Hoffnung - aber das sind die ersten Urteile: Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft sieht "definitiv" keine neuen Hinweise auf Schmiergelder an Unionspolitiker oder in schwarze Kassen der CDU. Und die Magdeburger Kollegen sehen keinen Anlass, die 1996 eingestellten Ermittlungen wegen Subventionsbetrugs bei der Leuna-Privatisierung wieder aufzunehmen. Sind diese Urteile vorschnell? Dafür spricht, dass - zum Beispiel - nicht alle Akten aus Genf schon aus dem Französischen übersetzt sind; dagegen, dass die deutschen Anklagebehörden sich trotz öffentlicher Schelte unverändert so äußern: Es gibt keinen Einstieg in neue Ermittlungen.

Was folgt daraus? Es können sich durchaus einige beim Aufbau Ost außerhalb der Legalität bereichert haben - aber vielleicht waren diejenigen zum damaligen Zeitpunkt ohne Staatsamt. Wie zum Beispiel der flüchtige Ex-Staatssekretär und Verfassungsschutz-Präsident Holger Pfahls. Mancher Beteiligte auf deutscher und französischer Seite hat sich große Summen in die Tasche gesteckt, andere haben sie womöglich auf ausländischen Konten versteckt. Es folgt aber nicht zwingend daraus, dass Entscheidungen einer Bundesregierung gekauft werden konnten - noch gibt es keine wirkliche Spur zur CDU.

In Frankreich werden die seltsamen Verbindungen der Regierung mit dem inzwischen privatisierten Ölkonzern offenbar, die Praktiken der Verhüllung und Verheimlichung. In Deutschland aber ist politische Bestechung bis heute nicht zu beweisen. Es klingt ja auch so unlogisch: Am Verkauf der unmodernen Raffinierie mussten in erster Linie die Deutschen Interesse haben; sie hätten eigentlich die Franzosen dafür schmieren müssen.

Leuna als Synonym - vielleicht auch für die fortgesetzte Verbreitung eines ungeheuerlichen Verdachts aus politischem Kalkül. Bisher hat sich nicht erhärten lassen, dass die damalige Bundesregierung geschmiert worden ist. Nicht von Staatsanwaltschaften, nicht vom Untersuchungsausschuss des Parlaments. Die Suche nach der Wahrheit soll weitergehen, aber die bloßen Verdächtigungen müssen aufhören.

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