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Meinung: Der große Erzieher

Mit dem Verbot heimlicher Vaterschaftstests mischt sich der Staat in Dinge ein, die ihn nichts angehen

Was hat man bloß diesen Frauen in den Kaffee getan? Sie sind doch sonst nicht so. Vermutlich eine Retro-Droge, die sie in das Jahr 1975 zurückversetzt. Es berührt einen jedenfalls ziemlich nostalgisch, wenn man sieht, wie in diesen Tagen für ein strafbewehrtes Verbot heimlicher Vaterschaftstest gestritten wird. Biggi Bender zum Beispiel, eine sonst ausgesprochen vernünftige grüne Sozialpolitikerin schmettert: „Es darf keinen Bonus geben für männliche Feigheit.“ Das ist wohl wahr. Nur geht es ihr darum ja gar nicht, vielmehr möchte sie „männliche Feigheit" mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestrafen. Außerdem erklärte Frau Bender, Frauen und Kinder seien „mindestens“ so schutzbedürftig wie Männer. Mindestens?

Auch ihre Kollegin von der SPD, Gudrun Schaich-Walch, streitet für das Verbot mit einer Rhetorik, die sehr an die Schlag- und Latzhosenzeit erinnert: „Dem Verbot heimlicher Tests kann und muss eigentlich jeder zustimmen.“ Eine Debatte damit zu beginnen, dass man eine mögliche Gegenposition für eigentlich inexistent erklärt, führt erfahrungsgemäß zu nichts Gutem.

Ebenso wenig wie die Argumentation der Initiatorin dieses Gesetzesvorhabens, Brigitte Zypries. Zur Motivation heimlich Tests durchführender Männer sagt die Justizministerin: „Was bedeutet das, wenn Männer den Frauen so massiv misstrauen? Trägt die Beziehung dann andere Belastungen?“ Ob eine Beziehung trägt, in der ein Mann der Frau misstraut – oder sie ihm und deshalb die wahre Vaterschaft eines Kindes verheimlicht –, das ist schwer zu sagen. Sicher hingegen ist, dass dies die Justizministerin und den Staat rein gar nichts angeht.

Versuchen wir, die ganze Sache auf die kühle 2005er-Art zu diskutieren. Zunächst einmal handelt es sich um ein nicht sehr großes Problem. Denn die Zahl von 40 000 Tests pro Jahr ist nicht gesichert, dürfte übertrieben sein und wäre auch, wenn sie stimmte, kein Grund zur Panik. Noch fantastischer scheint die Behauptung, jedes zehnte Kind sei ein „Kuckuckskind“.

Worum also geht es bei diesem mäßig relevanten Problem? Die Befürworter des Verbots sagen: Um das Wohl des Kindes, denn ein heimlicher Vaterschaftstest ohne Zustimmung der Frau verletze die Intimsphäre des Kindes. Das kann man so sehen. Obwohl hier die Intimsphäre nur insoweit berührt wird, wie sie auch den potenziellen Vater in seiner eigenen Persönlichkeit betrifft. Allerdings verletzt ein Vaterschaftstest mit Zustimmung der Mutter die Intimsphäre des Kindes nicht minder. Es sei denn, man unterstellt, dass die Motive der Mutter immer nur auf das Wohl des Kindes gerichtet, die des Vaters hingegen rein egoistisch sind. Wieso sollte das so sein?

Die Motive einer Mutter, die die wahre Vaterschaft eines Kindes verheimlicht, können respektabel oder weniger respektabel sein. Das kommt darauf an, ob sie nur einen Mann als Vater ausbeuten möchte, der das gar nicht ist, oder ob sie im Interesse des Familienfriedens denkt: Die Wahrheit würde mehr zerstören als helfen. Die Motive eines potenziellen Vaters, den Test heimlich durchzuführen, können ebenso verschieden sein. Egoistisch, wenn es ihm nur um seine Erzeuger-Eitelkeit geht. Verständlicher, wenn er denkt: Diese Frage bohrt in mir, aber sie ist es nicht wert, einen Krach mit der Frau einzugehen oder gar vor Gericht zu ziehen, um einen Test zu erzwingen.

Natürlich sind heimliche Vaterschaftstests nicht wünschenswert. Zweifelhaft ist es, wenn darüber in einer Beziehung nicht offen gesprochen wird. Peinlich und unwürdig ist auch der nächtliche Gang ins Kinderzimmer, um dem Kleinen Speichel aus dem Mund zu stehlen. Nur, ist ein solches Verhalten darum mit bis zu einem Jahr Knast zu bestrafen? Will man demnächst Menschen, die ihren Ehepartner von Privatdetektiven ausspionieren lassen und damit deren Intimsphäre verletzen, dafür vor den Kadi zerren?

Eher nicht. Die 70er Jahre sind vorbei, der Staat ist nicht der große Erzieher und Brigitte Zypries keine Eheberaterin.

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