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Meinung: Der Hindukusch ist nicht überall

Für Auslandseinsätze der Bundeswehr gibt es eine innere Grenze: Sie müssen den Bürgern vermittelbar sein

Von Gerd Appenzeller

Auf den ersten Blick sieht das wie ein neues Dissensfeld zwischen Regierung und Opposition aus. Verteidigungsminister Peter Struck kann sich unter den aktuellen Bedingungen kein Engagement der Bundeswehr im Irak vorstellen. CDUChefin Angela Merkel befindet hingegen, dass sich Deutschland nicht wegducken dürfe, wenn der Nato durch die UN eine Rolle im Mittleren Osten zugewiesen würde, und die Bundeswehr über die nötigen Kapazitäten verfüge. So äußerte sich Frau Merkel gegenüber dem „Spiegel“ – und das „Wir dürfen uns nicht wegducken“ las sich deutlich lauter als das „Wenn wir über die Kapazitäten verfügen...“.

Zwischen beiden Positionen scheint es keine Brücke zu geben. Die CDU-Vorsitzende wirkt entschlossen, weiter öffentlich zu ihrer uneingeschränkten Amerikatreue zu stehen, auch wenn ihr das in der deutschen Öffentlichkeit und beim Wähler in den vergangenen Monaten keine Pluspunkte eingetragen hat. Aber während die Nachrichtenagenturen noch die Vorabmeldung des „Spiegel“ verbreiteten, sendete der Deutschlandfunk gestern Vormittag ein Interview mit Angela Merkel. Thema unter anderem: Deutschland und der Irakkonflikt. Da konnte man eine überaus zweifelnde CDU-Vorsitzende hören. Angesichts der großen Belastung der Bundeswehr könne sie sich einen relevanten Einsatz in der Golfregion nur schwer vorstellen. Die Frage, ob deutsche Soldaten – im Rahmen der Nato, durch die UN mandatiert – an den Golf gehen müssten, dürfe man, so sie sich stellt, nur nach den Kapazitäten entscheiden.

Was war geschehen? Spricht die CDU-Vorsitzende mit zwei Zungen? Nein. Sie gibt im „Spiegel“ einen Eindruck wieder, den auch die Bundesregierung hat – dass es sehr wohl sein kann, dass sich die Amerikaner ziemlich bald mit einer Bitte um Hilfe an die Nato wenden werden. Im Deutschlandfunk legt sie mehr Gewicht auf die Argumente, die dagegen sprechen, nämlich die jetzt schon gefährliche Überdehnung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr. Zudem wurde das Gespräch einen Tag nach jenem mit dem Spiegel geführt, die Debatte war inzwischen weiter gegangen. Im Ergebnis liest sich das so: Regierung und Opposition argumentieren auf einer Linie.

Das überrascht nicht. Allen Parteien ist bewusst, dass es eine Grenze der öffentlichen Akzeptanz von Bundeswehreinsätzen im Ausland gibt. Afghanistan steht ja nicht nur für militärische, sondern auch für politische Hilfe. Mit der Ausrichtung der Petersbergkonferenz hatte die Bundesrepublik erst die Voraussetzung für den so gefährdeten Prozess des „nation building“, des Aufbaus einer Zivilgesellschaft, geschaffen. Im Irak ist Deutschland politisch jedoch nicht gefragt. Auch militärisch kann es, selbst im Rahmen der Nato, nichts ausrichten. Erst durch den US-geführten Krieg wurde das Land, was den Westen nun so beunruhigt: ein Tummelplatz islamisches Extremisten aus der ganzen Region. Irak braucht jetzt keine Nato, sondern eine Polizeitruppe, die mit Hilfe anderer islamischer Staaten aufgestellt werden muss – eine Arabisch sprechende und denkende Polizei. Auch wenn Peter Strucks Formulierung weiter gilt, wonach Deutschlands Freiheit auch am Hindukusch verteidigt werden muss: Der Hindukusch ist nicht überall.

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