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Meinung: Der Iran strahlt

Die Weiterverbreitung von Kernwaffen ist kaum aufzuhalten

Alexander S. Kekulé Am vorletzten Samstag versammelten sich einige Tausend Menschen im USBundesstaat New Mexico, um den 60sten Geburtstag eines Monsters zu begehen: Am 16. Juli 1945 wurde hier an der „Trinity Site“ die erste Atombombe gezündet. Drei Wochen später ließen die USA das am „Ort der Dreifaltigkeit“ geborene Monster auf Hiroshima und Nagasaki los.

Seit 1970 soll der Atomwaffensperrvertrag eine Wiederholung des nuklearen Horrors verhindern: Außer den fünf damaligen Atommächten (USA, UdSSR, Frankreich, Großbritannien und China) dürfte niemand Zugang zur nuklearen Bombentechnologie haben. Doch es kam ganz anders. Mit Indien, Pakistan und Israel sind inzwischen drei Newcomer im Besitz der Superwaffe. Hinzukommen die nuklearen Schwellenländer Nordkorea und Iran: Pjöngjang ist 2003 aus dem Sperrvertrag ausgetreten, Teheran führt die IAEA-Inspektoren seit Jahren an der Nase herum.

Zwei Gründe machen die Verhinderung der Proliferation zur Mission Impossible. Erstens hat sich die Zahl potenziell gefährlicher Staaten erheblich erhöht. Zweitens bewirkt der allgemeine technische Fortschritt, dass die Komponenten für den Bau der Bombe zur kaum kontrollierbaren Massenware werden. Wie man im 21. Jahrhundert zur Atommacht wird, führt der Iran gerade vor. Als Kernsprengstoff nehme man Uran. Um aus dem einheimischen Uranerz den Bombenstoff Uran-235 zu gewinnen, muss Iran in einer „Konversionsanlage“ zunächst Uranhexafluorid herstellen – ganz legal, weil dieses Gas auch für die zivile Nutzung benötigt wird.

Der entscheidende Schritt ist die Anreicherung auf mindestens 90 Prozent Uran-235 (Uranerz enthält davon nur 0,7 Prozent): Weil Kernkraftwerke höchstens fünfprozentiges Uran-235 benötigen, muss die Anreicherungsanlage gut versteckt werden. Das war früher ein Problem, weil die alten Anlagen riesige Fabriken waren und für die Stromversorgung eigene Kraftwerke benötigten. Doch Iran kaufte pakistanische G-1-Gaszentrifugen, die leichter zu verstecken sind. Einige Tausend Zentrifugen mit rotierenden Aluminiumrohren trennen das Uran-235 von den schwereren, unbrauchbaren Uransorten ab. Je länger die Rohre, desto höher die Ausbeute. Doch die G-1-Zentrifuge ist nicht sehr effizient. Um im großem Stil bombenfähiges, hoch angereichertes Uran-235 herzustellen, müssten die schnell rotierenden Aluminiumrohre mehrere Meter lang sein – solche Präzisionsteile sind schwer zu bekommen. Wie es aussieht, hat sich Iran auch die Pläne für die neuere „G-2-Zentrifuge“ beschafft, die mit zwei knapp 50 Zentimeter langen Rotoren eine höhere Leistung bringt. Diese kürzeren Aluminiumrohre kann der Gottesstaat selbst herstellen.

Künftig werden immer mehr Staaten ohne ausländische Hilfe Atombomben bauen können, zumal die Technologie größtenteils aus den 60ern stammt. Die Proliferation kann deshalb nicht durch Exportkontrollen, sondern nur durch Verhandlungen eingedämmt werden. Dass sich Deutschland daran – gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien – maßgeblich beteiligt, ist auch aus einem anderen Grund kein Fehler: Die Atom-Zentrifugen „G1“ und „G2“ hat der Ingenieur Gernot Zippe in den 60er und 70ern in Deutschland konstruiert – „G“ steht für „Germany“.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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