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Meinung: Der Milliardenkrimi

Der Wirtschaft entstehen riesige Schäden durch Betrug, Bestechung und Untreue

Die Lösung der Konjunkturkrise könnte so einfach sein. Gäbe es in Deutschland keine Wirtschaftskriminalität, würden Handel und Gewerbe florieren. Nach Schätzung von Experten bremst allein die Bestechung das Wachstum der Volkswirtschaft um vier Prozentpunkte im Jahr. Eine unglaubliche Größenordnung! Wer dabei nur an den öffentlichen Skandal um Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen denkt, liegt falsch. Nicht (nur) der Staat als milliarden- schwerer Auftraggeber ist Opfer von Korruption und Schieberei, auch die Privatwirtschaft leidet schwer unter Schummeleien bei Einkauf und Investitionen. Und das zumeist unentdeckt – von der Öffentlichkeit und vor allem von der Staatsanwaltschaft.

Die Unternehmen fürchten aber nicht nur die Bestechung ihrer Einkäufer. Ihre Mitarbeiter unterschlagen Geld, veruntreuen Waren und nutzen ihre Insiderkenntnisse, um wichtiges Firmen-Know-how an Dritte zu verscherbeln. Wer die Zahlen des Bundeskriminalamtes liest, glaubt in einer anderen Republik zu leben: Mehr als 13 Milliarden Euro beträgt der volkswirtschaftliche Gesamtschaden im Jahr. Tendenz zurzeit wieder steigend. Und das ist nur der entdeckte und damit bezifferbare Schaden. Denn viele Fälle kommen nie ans Tageslicht, weil selbst die betrogenen Unternehmen kein Interesse daran haben, die Geschichten an die große Glocke zu hängen. Es ist ihnen zu peinlich, weil die Kontrollen versagt haben oder Ermittlungsbehörden im Haus das saubere Image beschmutzen könnten. So dürfte die Dunkelziffer sich ebenfalls in Milliarden-Größenordnung bewegen. Was noch schlimmer ist: Der festgestellte Schaden macht zwar rund 60 Prozent aller durch Kriminalität verursachten Schäden aus. Hervorgerufen werden diese Schäden aber gerademal von 1,7 Prozent aller 6,4 Millionen Straftaten in Deutschland. Anders formuliert: Nur wenige Täter sorgen für gigantische Schäden.

Trotzdem: Dieses Land ist keine Bananenrepublik. Deutschland ist ein hoch entwickelter Staat – mit komplizierten Verfahrensvorschriften, die das Wirtschaftsleben regeln, mit noch komplizierteren Steuergesetzen. In Deutschland wird – allem Gejammer zum Trotz – HighTech entwickelt und produziert. Das lockt Spione und Betrüger jeglicher Couleur an. Vor allem aber zählt Deutschland zu den stärksten Wirtschaftsnationen der Welt – hier werden jährlich Billiarden umgesetzt. Vor allem deshalb ist Deutschland ein hochinteressantes Land für Betrüger. Denn nur dort, wo es etwas zu holen gibt, schlagen die großen und kleinen Kriminellen auch zu. So einfach ist das.

Gar nicht einfach ist die Frage zu beantworten, wie ihnen das Handwerk gelegt werden kann. Der Ruf nach dem Staat ist nahe liegend, aber nutzlos. Gesetze zum Schutz der Verbraucher gibt es bereits, auch wenn sie noch deutlich verbessert werden könnten. Standards und verbindliche Regeln zur Kontrolle in den und über die Unternehmen sind ausgefeilter denn je. Doch Untreue und Betrug nehmen zu, weil die Ermittler überfordert sind, weil die Kriminellen wissen, dass die Chance, erwischt zu werden, gering ist.

Die Finanzbehörden sehen sich kaum in der Lage, den blühenden Betrug mit der Umsatzsteuer in den Griff zu bekommen. Staatsanwälte versuchen vergeblich, den geschickt getarnten Schiebereien in der Wirtschaft auf die Schliche zu kommen. Personalmangel heißt es zumeist. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn ein großer Teil der Milliardenschäden geht auf das Konto der Nachlässigkeit. Nicht die Nachrichtendienste unbekannter Mächte verursachen mit ihrer Industriespionage die größten Schäden. Wer denkt schon bei Schwarzarbeit darüber nach, dass der Staat hier um Steuern und Sozialabgaben betrogen wird?

Dieter Fockenbrock

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