zum Hauptinhalt

Meinung: Der Präsident ist frei

JOHANNES RAU, CHINA UND DIE MENSCHENRECHTE

Nun ist eingetreten, was politische Beobachter prognostizierten, nachdem Johannes Rau den Verzicht auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit bekannt gegeben hatte. Der Bundespräsident würde, so die These, in kritischen Situationen nun noch freier als schon bislang für seine Überzeugungen eintreten und damit auch die Rolle verdeutlichen, die das Staatsoberhaupt ungeachtet fehlender Macht spielen könne. Überraschend war allenfalls, dass Johannes Rau nicht einen innerdeutschen Termin für die demonstrative Geste der Souveränität nutzen würde, sondern einen Staatsbesuch. Ausgerechnet den Chinesen, die jede ausländische Kritik als unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten zurückweisen, rief der Bundespräsident in Erinnerung, dass Rechtsstaat und Menschenrechte weder eine kapitalistische Erfindung sind, noch etwas, was ein großes Land auf Dauer seinen Bürgern vorenthalten dürfe. Vertreter der deutschen Wirtschaft sorgen sich nun, durch solche Ermahnungen könnten ihnen die Geschäfte erschwert werden. Dagegen spricht freilich die bei aller Klarheit der Aussage konziliante und freundschaftliche Weise, in der Rau sprach. Dass der Präsident andere Möglichkeiten als der Kanzler hat, sprach Rau dabei sogar selbst an. Der Präsident ist eben freier als der Regierungschef – ganz besonders dann, wenn er nicht mehr auf Mehrheiten für eine angestrebte Wiederwahl schielen muss. Daraus kann man lernen, zum Beispiel, dass eine einzige, dafür aber längere Amtszeit vielleicht doch keine schlechte Idee wäre. apz

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false