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Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker

© Reuters

Kontrapunkt: Der Retter von Luxemburg

Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker ist als Vorsitzender der Eurogruppe maßgeblich am Schnüren des neuen Rettungspaketes für Griechenland beteiligt. Doch geht es ihm nicht auch um die Rettung seines eigenen Landes?

Eigentlich bestand die Sendung nur aus einschläferndem Gefasel: Wie in vielen der unzähligen Talkshows im deutschen Fernsehen wurde auch in der gestrigen Illner-Runde hauptsächlich Altbekanntes zum Thema Griechenland und Schuldenkrise wiedergekäut. Doch ein kleines Highlight gab es dann doch, als Attac-Mitglied Alexis Passadakis den luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn darauf hinwies, dass sein Land als Steuerparadies ein Teil des Problems sei. Dieser reagierte gereizt und mit Kriegsrethorik – ein gewohnter Reflex aus Zeiten, in denen der damalige Finanzminister Peer Steinbrück europäischen Steueroasen auch schon mal mit der Kavallerie drohte.

Der Hinweis von Passadakis weist auch auf einen Bock, der zur Zeit den europäischen Garten umpflügt: Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker steht als Vorsitzender der Eurogruppe wie kein anderer vor den Kameras und hinter den Rettungspakten für Griechenland. Dabei gibt er einerseits gewohnt konziliant den Karlspreisträger und andererseits die sozialkompetente Führungskraft, die den Schuldnersünder mit sanftem Druck zum Sparen bringt.

So warnt Juncker eindringlich vor einem Scheitern der Haushaltssanierung in Griechenland: „Niemand in Griechenland sollte hoffen, dass es so etwas wie einen Plan B gibt. Griechenland muss liefern. Wir im übrigen auch.“ Mit letzterem ist das zweite Rettungspaket gemeint. Von einer Beteiligung von Privatgläubigern wie etwa Banken an neuen Griechenland-Hilfen hält er, genauso wie sein Außenminister, nichts.

Doch liegt Mr. Euro, wie Juncker angesichts seines Engagements genannt wird, ausschließlich das Interesse der europäischen Gemeinschaft am Herzen oder geht es nicht doch in erster Linie um das Wohl Luxemburgs?

Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), Hans-Werner Sinn, hält den luxemburgischen Ministerpräsidenten jedenfalls für die falsche Besetzung an der Spitze der Euro-Gruppe: „Die luxemburgischen Banken haben eine Bilanzsumme in Höhe des 18-fachen des Luxemburger Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland haben wir nur das Zweieinhalbfache. Der Vertreter eines solchen Landes kann nicht für Europa sprechen und den Steuerzahlern sagen, sie müssten bitte einen Bail-out des Bankensystems vornehmen“, kritisiert Sinn, der einer Attac-Mitgliedschaft unverdächtig sein dürfte.

Der Verdacht liegt in der Tat nahe, dass Juncker vor allem deshalb gegen eine Umschuldung und für Rettungspakete sowie zusätzlich Hilfeleistungen aus dem EU-Haushalt plädiert, da dies sein mit Finanzinstitutionen vollgestopftem Großherzogtum am billigsten käme: Eine Umschuldung könnte die Luxemburger Banken ins Wanken bringen, während das Land an den direkten Kredithilfen für Griechenland vergleichsweise wenig beteiligt ist. Würde eine Umschuldung Griechenlands vielleicht bedeuten, dass nicht Portugal, Italien oder Spanien – wie Juncker behauptet – sondern Banken in Luxemburg als nächstes gerettet werden müssten? Und wäre dies vielleicht sogar der insgesamt billigere Weg?

Die derzeitige Krise der Staatsfinanzen kann nicht unabhängig von der vorangegangenen Finanzkrise gesehen werden, was das Beispiel Irland zeigt: Der einstige wirtschaftliche Shootingstar hatte seine Wirtschaft mit Hilfe von Steuerdumping ganz auf den Finanzsektor ausgerichtet. Doch aus dem keltischen Tiger wurde im Zuge der Finanzkrise ein zersaustes Kätzchen, dass an die Zitzen von EU und IWF musste.

Das Großherzogtum Luxemburg wird wie die Schweiz von der OECD nicht mehr als ausschließliche Steueroase geführt. Es gilt aber nach wie vor als Land mit einem „günstigen“ Steuerrecht und als „beliebter Finanzstandort“. Steuerdumping, Schattenfinanzplätze und Schwarzgeldflüsse waren und sind ein Grund für die Fragilität von Banken und Staatsfinanzen. Ein funktionsfähiges und gerechtes Steuersystems in der EU und ein reguliertes und auf Normalmaß gestutztes Finanzsystem liegt nicht im Interesse von Ländern wie Luxemburg. Der Regierungschef eines solchen Landes kann kaum ein geeigneter Schuldenkrisenmanager sein, auch wenn er ein überzeugter Europäer ist.

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