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Meinung: Der siebte Krieg

Israel und die Intifada: Trotz Erschöpfung zeichnen sich noch keine Lösungen ab

Vier Jahre dauert die zweite Intifada der Palästinenser nun schon an. Doch statt der erhofften Autonomie hat sie nur erschreckende Statistiken hervorgebracht: Mehr als 4350 Tote gab es seitdem. 3334 Palästinenser und 1017 Israelis sind seit dem provokativen Besuch des damaligen israelischen Oppositionsführers Ariel Scharon auf dem Tempelberg in der daraufhin von Jassir Arafat ausgelösten gewaltsamen Auflehnung getötet worden. 82 Prozent der palästinensischen und 70 Prozent der israelischen Toten waren Zivilisten – wenn man den jeweiligen Angaben Glauben schenken darf.

Die Palästinenser beklagen somit in den letzten vier Jahren jeden Tag drei Tote, die Israelis einen. Die fürchterliche Dimension wird noch deutlicher, wenn man die palästinensischen Opferzahlen auf unsere Verhältnisse überträgt: Rund 50 Tote wären täglich in Deutschland zu beklagen.

Noch immer sprechen die Palästinenser von einer Intifada, einem „Abschütteln“ der Besatzer, während Israel schon nach kurzer Zeit nicht mehr von einem Volksaufstand sprechen mochte – sondern von Terror. Folgerichtig nannten zwei führende israelische Journalisten ihr gerade erschienenes Buch „Der siebte Krieg“. Der Krieg gegen den Terror ist der längste, den Israel je geführt hat.

Dabei rückt das wichtigste Ziel der Palästinenser im Jahr vier des Aufstands in immer weitere Ferne: Vom unabhängigen Staat Palästina spricht außer Palästinenserpräsident Arafat eigentlich niemand mehr. Im Zentrum der Ereignisse stand im vergangenen Jahr die israelische Sperranlage im Westjordanland. Israels Regierung ist entschlossen, sie weiterzubauen, trotz der Verurteilung durch den Internationalen Gerichtshof und die UN-Generalversammlung und anhaltender Proteste der Palästinenser. Die Sperranlage hat dort, wo sie bereits steht, aus israelischer Sicht ihre Funktion mehr als nur erfüllt: Kein einziger Terrorist hat sie überwunden. Tatsächlich ist die Zahl der Anschläge in Israel erheblich zurückgegangen.

Das liegt aber auch an der erfolgreichen Arbeit der Sicherheitskräfte. Der Drahtzieher des Terrors entledigte sich Israel meist durch Raketenbeschuss von Kampfhubschraubern aus – den Tod von Unschuldigen explizit in Kauf nehmend. Ebenfalls zu den Opfern zählt der Friedensprozess von Oslo. Auch von der so genannten Road Map, dem Fahrplan für einen unabhängigen Palästinenserstaat, wird nur noch sporadisch gesprochen. Die private „Genfer Initiative“ erbrachte zwar den Nachweis, dass entgegen den Behauptungen der Regierung Scharon durchaus Gesprächspartner auf palästinensischer Seite vorhanden sind. Doch weil diese ebenso wie ihre israelischen Gegenüber am äußersten und daher einflusslosen Rand der politischen Szene angesiedelt sind, wird sie als bedeutungslose Fußnote in die Geschichte des Konfliktes eingehen.

Die Situation erscheint ausweglos: Arafat sitzt noch immer in seinem halb zerstörten Hauptquartier in Ramallah fest, allerdings auch wieder fester auf seinem Präsidentenstuhl, während der aussichtsreichste seiner möglichen Nachfolger, der eigentliche Intifada-Führer Marwan Barguti, weiter in israelischer Haft sitzt. Barguti und die anderen aus der jungen Garde der Fatah-Bewegung sind auch ihrem zweiten Intifada-Ziel, Reformen in der eigenen Gesellschaft und in den Behörden durchzusetzen, nicht näher gekommen. Arafat hat trotz internem und amerikanischem Druck bisher keine Macht abgegeben.

Wer doch nach ein wenig Hoffnung sucht, der muss sich mit Scharons einseitigem Plan zufrieden geben, der einen Truppenabzug aus dem Gazastreifen und dem nördlichen Westjordanland sowie die Räumung aller dortigen Siedlungen vorsieht. Ob der von israelischen Siedlern und Nationalisten als Verrat und Kapitulation verdammte Plan tatsächlich nur ein Resultat der Intifada darstellt, darf allerdings bezweifelt werden. Gezweifelt werden darf ebenfalls an Scharons Willen, seinen Plan im fünften Jahr der Intifada tatsächlich umzusetzen.

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