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Meinung: Der Türke – dein Freund und Helfer

Von Roger Boyes, The Times

Immer wenn ich über die Gewichtsprobleme Berliner Polizisten schreibe, handele ich mir Probleme ein. Einmal habe ich den Wachtmeister vor Joschka Fischers Wohnung in der Tucholskystraße mit dem korpulenten, Donuts mampfenden Chief Wiggum aus der amerikanischen ComedySerie „Die Simpsons“ verglichen. Wenig später wurde ich gleich zwei Mal von der Polizei angehalten. Erst, weil ich eine völlig leere Straße bei roter Ampel überquerte; dann, weil ich Abfall fallen ließ. Die Fahndung nach Al Qaida geht unterdessen weiter – und ebenso expandieren die Hüften der Polizisten weiter.

Deshalb enthülle ich den nächsten Informationshappen mit größter Vorsicht. Ein Polizeioffizier wurde kürzlich gesehen, wie er rannte – ja: rannte, und zwar hinter einem Hund im Kleistpark her. Aus journalistischer Fairness muss ich anfügen, dass ich diese Geheiminformation von einem Taxifahrer bekam, der es wiederum von einem Freund gehört hatte. Aber ich vertraue darauf. Im aktuellen Klima macht ein Polizist finanziell das bessere Geschäft, wenn er einen Hund verfolgt, der gegen den Leinenzwang verstößt – potenzielle Strafe 125 Euro –, als wenn er in eine Prügelei eingreift und riskiert, dass seine Uniform Schaden nimmt.

Berlins Finanznot gibt der Stadt ein hässliches Gesicht. Parkwächter stürzen sich auf Autofahrer wie Hyänen auf den Kadaver eines Löwenbabys. Die BVG-Kontrolleure treten roh und feindlich auf. Schuldeneintreiber durchstreifen Marzahn. Und die Polizei ist hinter meinem Hund her.

Berlins Pleite ist aber nicht nur bad news. Kürzlich stellte die Polizei fünf neue deutschtürkische Polizistinnen und Polizisten vor, freundlich lächelnd unter dem Schriftzug „Berliner Polizei immer mehr multi-kulti“. Fünf sind besser als keiner. Aber doch nur ein Klacks in einer Stadt, in der jeder Zehnte türkische Wurzeln hat. Der springende Punkt: Die diesjährigen Absolventen der Polizeiakademie werden nicht mehr Beamte, sondern Angestellte – wegen der Finanzmisere. Ist es für die Polizei einfacher, Türken zu fördern, wenn sie nur Angestellte werden? Gibt es ein institutionelles Vorurteil dagegen, Deutschtürken zu privilegierten Beamten zu machen? Ist ja nur eine Frage. Und lassen Sie, bitte, meinen Hund in Ruhe, Herr Wachtmeister.

Berlins Polizei ist knapp bei Kasse, knapp an Personal, Schlagstöcken, Wasserwerfern und an gesundheitsbewusster Kost in der LKA-Kantine. Aber muss sie arm an Ideen sein? „ Mit ein bisschen Fantasie könnte man so viel tun“, sagte mir Rashid. Rashid war vor 40 Jahren der erste asiatische Polizist in Großbritannien. Kürzlich kam er mit anderen Pakistanis nach Kreuzberg, auf Einladung der Anglo-German Foundation. Diese britischen Pakistanis haben aus den Unruhen in Bradford gelernt, dass die Polizei sich öffnen muss für ethnische Minoritäten. Sie besuchen Schulen in den asiatischen Vierteln und unterrichten 10-Jährige in Verkehrssicherheit. Sie organisieren Klassenausflüge zu Polizeistationen und schicken Polizisten nach Pakistan, damit sie die politischen Probleme in ihren Bezirken verstehen lernen. Das kostet keine Unsummen. Aber modernisiert eine konservative Institution und verleiht ihr eine wichtige soziale Funktion. Sollte Berlins Polizei – die in Privatgesprächen gern über Ausländerkriminalität klagt – nicht Ähnliches tun? Oder warten wir lieber auf die ersten Rassenkrawalle in Kreuzberg?

Der Autor ist Korrespondent

der britischen Tageszeitung „The Times“. Gemeinsam mit Dorte Huneke hat er bei der Anglo-German Foundation soeben die Studie „Is it Easier to be a Turk in Berlin, or a Pakistani in Bradford?“ publiziert. Englische und deutsche Fassung im Internet unter: www.agf.org.uk

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