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Meinung: Der Urvogel will fliegen

Neue Hoffnung für das baufällige Berliner Naturkundemuseum

Naturkundemuseen sind rückwärts gewandte Institutionen. Sie tragen die Überreste unserer erdgeschichtlichen Verwandten zusammen und mussten schon immer die Hand weit aufhalten, um ihre Sammlungen vergrößern und ihren Forschungen nachgehen zu können. Mal fanden sie Geldgeber, die auf Kuriositäten aus waren, dann große staatliche Auftraggeber, für die ein aus den Kolonien zurückkehrendes Schiff voller exotischer Dinge Ausdruck ihrer territorialen Macht war. Wer soll heute für solche Museen zahlen? Was ist uns das bedeutendste deutsche Naturkundemuseum wert?

Dem Land Berlin und auch der Humboldt-Universität, zu der das Naturkundemuseum zählt, bislang zu wenig. Stets waren ihnen andere Projekte wichtiger, als das im Krieg teilweise zerstörte Museum wieder herzurichten. Als es darum ging, das Naturkundemuseum in die Bund-Länder-Förderung aufzunehmen, liefen die flotten Elektronen der Röntgenlampe „Bessy“ in Berlin-Adlershof den behäbigen Dinosauriern den Rang ab. Und die Humboldt-Universität, obschon in jüngster Vergangenheit sehr um die Zukunft des Museums bemüht, investierte lieber in eine neue Bibliothek als in Vitrinen, die mit Altem gefüllt sind.

Eigentlich hätte der Bund die Wunderkammern der Erdgeschichte längst übernehmen und in ein Nationalmuseum überführen müssen. Denn nicht nur der Berliner Urvogel Archaeopteryx und der zwölf Meter hohe Brachiosaurus sind weltberühmt. Das Museum kann mit einer ebenso großartigen Sammlung aufwarten wie die prächtigen, staatlich geförderten Naturkundemuseen in Paris, London oder Washington. Die mehr als 250000 Besucher im Jahr können in Berlin nicht nur Abgüsse und Nachbildungen zahlloser Wirbeltiere und Pflanzen, Dinosaurier und Primaten bestaunen, sondern auch die echten Knochen. Die Begegnung mit authentischen Zeugnissen macht die Attraktivität des Museums aus.

Viele Originale verkommen aber in nicht klimatisierten Räumen, andere können gar nicht mehr gezeigt werden. Der Ostflügel liegt seit dem Krieg in Trümmern. Wenn das Museum nicht an der Invalidenstraße, sondern im Blickpunkt der Politik auf der Museumsinsel in Mitte stünde, wäre ein Großteil dieser Mängel sicherlich längst behoben.

Auf ein Nationalmuseum hofft mangels politischer Unterstützung niemand so recht. Dennoch könnte die Sanierung bald beginnen. Wenn am heutigen Donnerstag die Lottostiftung knapp neun Millionen Euro für die Modernisierung der Ausstellungen bereitstellen sollte, wäre die erste Etappe geschafft. Die EU würde dann noch einmal dieselbe Summe drauflegen. Und auch das Land Berlin, das bislang kein Geld für die Renovierung hatte, stünde damit in der Pflicht: Es wäre nicht mehr zu begründen, wenn die im Investitionsplan für 2006 und 2007 für den Aufbau des Ostflügels vorgesehenen zehn Millionen Euro dann noch für andere Zwecke verwendet würden.

Insofern ist die heutige Entscheidung wegweisend – auch für eine langfristige finanzielle Entlastung des Landes. Gelingt es, die historische Perle aufzupolieren, kann das Museum schon bald in die Leibniz-Gemeinschaft und damit in die Bund-Länder-Finanzierung aufgenommen werden. Berlin könnte mit diesem Schritt jährlich Ausgaben von rund fünf Millionen Euro einsparen.

Die beiden Naturkundemuseen Alexander König in Bonn und Senckenberg in Frankfurt sind trotz ihrer viel kleineren Sammlungen längst als Leibniz-Institute etabliert. Sie haben sich gemausert, während der Berliner Archaeopteryx verschlossen im Safe steht. Eine Patenschaft des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit oder eines Berliner Firmenchefs könnte ihn da vielleicht wieder rausholen. Wichtiger aber ist nun eine klare Prioritätensetzung des Senats.

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