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Meinung: Der Weg war das Ziel

Made in China: Das erste bemannte Raumschiff der Volksrepublik fliegt ins All

Ein Taikonaut soll heute zum Helden Chinas aufsteigen und in den Weltraum fliegen. Noch kennen wir seinen Namen nicht. Und er wird zunächst ein isolierter, einsamer Held bleiben, der – falls der Start gelingt – die Leere des Weltalls zu spüren bekommt. Etwa 22 Stunden lang soll er in einem technischen System um die Erde kreisen, von dem er auf Gedeih und Verderb abhängig ist. Statt auf erhobenem Posten in einer Kommandozentrale zu sitzen, vom Monitor aus ein modernes Raumschiff zu steuern und gewagte Manöver einzuleiten, liegt der chinesische Luftwaffenpilot in der engen, weitgehend ferngesteuerten „Shenzhou“-Raumkapsel. Es geht um absolute Präzision, nicht um ein schönes Erlebnis oder um intelligente Experimente.

Bislang verstanden sich nur Russland und die USA auf dieses Geschäft. Jetzt winken Taikonauten mit ihren roten Fähnchen vor den Fernsehkameras, um der Weltöffentlichkeit zu demonstrieren: „Auch wir können das!“ China, das in den vergangenen Jahren Spitzentechnik wie den Transrapid oder Atomreaktoren in Deutschland und anderswo eingekauft hat und das als die am schnellsten wachsende Wirtschaftsnation von sich reden macht, möchte seiner technischen Kultur nun auf der populärsten Weltbühne Ausdruck verleihen: am Himmel.

Es ist eine prestigeträchtige Schau im Glanz der Weltraumraketen. Ihr 1996 erstmals offiziell erklärtes Ziel, Menschen ins All zu schicken, haben die Chinesen sehr schnell erreicht. Dabei haben sie vor allem von den Erfahrungen anderer profitiert und die robuste russische Sojus-Kapsel nachempfunden, wenn diese auch vergrößert und mit einem abgefederten Aufprallsystem sicherer gemacht wurde. Viel Ingenieurwissen kommt zudem aus den USA.

Der rasche Aufstieg Chinas zur dritten Nation mit einem eigenständigen System für bemannte Raumflüge verdeutlicht einmal mehr: Wer genügend Mittel einzusetzen bereit ist, kann das technisch Machbare auch erreichen. Was auch immer an technischem Können einmal in die Welt gesetzt wurde, das wandert nach einiger Zeit um die zunehmend vernetzte Welt, ob es sich um zivile oder militärische Raumfahrttechnik handelt – oder um Atomtechnik.

Vor allem in den USA wird man mit gemischten Gefühlen verfolgen, wie die erste „Shenzhou“-Raumkapsel womöglich auf der Höhe von New York mehrmals über das Land hinwegziehen wird. Einstiges Herrschaftswissen hat sich nun endgültig verflüchtigt. Gleichzeitig haben die USA mit dem Absturz der bemannten Raumfähre „Columbia“ im Februar dieses Jahres zum wiederholten Mal erleben müssen, wie verletzlich ihre eigene Technik selbst nach Jahrzehnten der Raumflugerfahrung noch ist.

China wird lernen müssen, mit diesem Risiko umzugehen. Wenn dies gelingt, könnten die Taikonauten bald eine kleine, aus mehreren Shenzhou-Kapseln zusammengesteckte Raumstation in der Erdumlaufbahn beziehen. Dass sie dann zum Mond fliegen werden, mag man angesichts fehlender schubstarker Raketen noch als Imponiergehabe abtun. Doch wenn die USA eines Tages tatsächlich einmal ein Raketenabwehrsystem im Weltraum stationieren sollten, das von Astronauten gewartet wird, stünden nun neben russischen Kosmonauten auch chinesische Taikonauten zur Stelle, es ihnen nachzutun. Die chinesische Machtdemonstration dürfte ihre Wirkung kaum verfehlen.

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