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Meinung: Des Kanzlers Aufschwung

Schröder strahlt wieder – dabei sind die fünf Millionen auch seine Arbeitslosen

Neuerdings strahlt er wieder, unser Kanzler. Gerhard Schröder trägt dieser Tage ein Selbstbewusstsein zur Schau wie lange nicht. Und während er den Staatsmann mimt, hält ihm Franz Müntefering den Rücken frei. Mit Scheindebatten über die Bürgerversicherung oder die Erbschaftsteuer hat der Parteichef die Basis ruhig gestellt oder aus der Partei vertrieben. Die verbliebenen Sozialdemokraten protestieren jedenfalls nicht mehr. Glaubt man den Umfragen, dann ist die Wahl in Schleswig-Holstein schon zugunsten von Rot-Grün gelaufen. Sogar in Nordrhein-Westfalen spekulieren die Sozen wieder auf Sieg, weil die Opposition nur das Versprechen zu bieten hat, dass Normalverdiener unter ihrer Regentschaft noch mehr draufzahlen würden.

So steht die Doppelspitze der SPD, die vor einem Jahr noch als Notlösung galt, heute scheinbar glänzend da. Der Kanzler lässt sich für seine Standhaftigkeit feiern. Derweil verbreitet „Münte“ gefühlte Gerechtigkeit und feilt konsequent am Bild von der SPD als dem kleineren Übel.

Doch zur Selbstgewissheit besteht kein Anlass. 5 000 000: Diese Zahl steht für die tatsächliche Leistung Schröders und seiner Adlaten. Fünf Millionen Arbeitslose, so viel wie noch nie in der Geschichte unserer Republik, das ist das wahre Armutszeugnis von Rot-Grün und zugleich Zeugnis der wachsenden Armut im Land. „Das Programm beginnt zu wirken“, lobte Schröder zuletzt beim Weltwirtschaftsforum in Davos seine Reformen. Tatsächlich ist es seiner Regierung gelungen, den Arbeitsplatzverlust noch zu beschleunigen.

Erst frönte sie dem Kinderglauben, man könne durch milliardenschwere Steuergeschenke an Konzerne und Besserverdiener zusätzliche Investitionen auslösen. Stattdessen wuchsen nur die Vermögenseinkommen und die soziale Ungleichheit, während Haushaltslöcher und Staatsverschuldung im gleichen Umfang zulegten. Folglich fiel auch der Staat wegen des notwendigen Sparkurses als Investor aus, längst ist die öffentliche Hand selbst Krisentreiber beim Stellenabbau. Dann unterwarf sich Schröder der von interessierter Seite verbreiteten Annahme, die Arbeitslosigkeit ließe sich bekämpfen, wenn nur die Lohnkosten sinken. Unbezahlte Mehrarbeit und die verbreitete Kürzung der Reallöhne wurden nicht zuletzt deshalb durchsetzbar, weil Schröder, Münte & Co. im Chor mit den Gewinnern ihrer Reformen von allen Kanzeln den Verzicht predigten. Konsequent bestraften sie ihrerseits die Arbeitslosen mit Einkommenskürzung und verordneten, dass die Arbeitsvermittlung mittels Lohndrückerei beschleunigt wird.

Aber mit sinkenden Masseneinkommen und Einsparungen Wachstum anzustreben, gleicht dem Versuch, mit schwarzer Farbe eine Wand weiß zu malen: Es kann nicht funktionieren. Folglich steigt die Arbeitslosigkeit. So mag es sein, dass die Schröder-SPD angesichts der Schwäche der Union womöglich wieder Wahlen gewinnen kann. Aber der Preis dafür ist hoch: Millionen Bürger verlieren das Vertrauen in die Demokratie, weil sie sehen, dass gewählte Politiker die Gewinne der „Reformen“ nur den Privilegierten zuschanzen, während alle anderen draufzahlen. Die wachsende Wahlverweigerung und der Mitgliederverlust sind ein untrügliches Zeichen. Wahlsieger sind häufig nur noch diejenigen Parteien, die am wenigsten Stimmen verlieren – und die Rechtsextremisten von NPD und DVU.

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