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Meinung: Des Kanzlers Außenpolitik: Der beste Fischer heißt Schröder

Es gibt keine grüne Außenpolitik? Aber ja doch!

Es gibt keine grüne Außenpolitik? Aber ja doch! In Washington hat sich der oberste deutsche Außenpolitiker sogar mit dem neuen Präsidenten Bush angelegt, hat sich für den Klimaschutz eingesetzt und für das Überleben der Abrüstungsverträge in den Zeiten der Raketenabwehr. In St. Petersburg hat er jetzt gegenüber Präsident Putin die Pressefreiheit verteidigt und die Entwicklung Russlands zur Zivilgesellschaft eingefordert. Es gibt eine grüne Außenpolitik, die selbst den Konflikt mit dem wichtigsten Verbündeten nicht scheut und den Kreml nicht in Watte packt.

Es ist jedoch nicht Joschka Fischer, der sie hochhält, sondern - Gerhard Schröder. Fischer tritt als vollendeter Diplomat auf. Der Bundesaußenminister besuchte Amerika und Russland etwas früher, zur Vorbereitung der Kanzlerreisen. In den USA befand er zum Entsetzen vieler Parteifreunde, er habe die Luftangriffe auf Irak nicht zu kritisieren; und die Entscheidung über die Raketenabwehr sei allein Sache der Amerikaner. In Moskau gab er dem bedrohten Fernsehsender NTW zwar ein Interview, ging aber öffentlich den Konflikten aus dem Weg. Er bemühte sich vor allem, Moskauer Sorgen über die Ruppigkeiten der neuen Bush-Administration abzumildern, so wie er in Washington um etwas mehr Verständnis für den Kreml warb.

Verkehrte Rollen: Joschka Fischer, der eine moralischere Außenpolitik versprochen hatte, muss die Verbeugungen machen, den Leisetreter geben. Und dann reist Gerhard Schröder an, der die innenpolitische Szene als Konsenskanzler beherrscht, und profiliert sich im Ausland als kämpferischer Wahrer deutscher Interessen. Keine zufällige Arbeitsteilung, wie er jüngst im Tagesspiegel-Interview verriet, sondern "absolut abgestimmte Auftritte": Ohne das Vertrauen, das der Außenminister mit seinen nicht-konfrontativen Vorgesprächen aufbaue, könne er, Schröder, die Auseinandersetzungen gar nicht führen.

Verteilte Rollen zwischen Kanzler und Außenminister hat es auch früher gegeben - genauso wie eine latente Konkurrenz zwischen beiden. Zu Kohl & Kinkels Zeiten war im Auswärtigen Amt die Klage zu hören, Kohl genieße die Auftritte als Staatsmann und Versöhner, Kinkel müsse "die Drecksarbeit" machen: die unangenehmen Kontakte übernehmen und auf Befehl die Verbündeten, selbst die Amerikaner kritisieren; Kohl stellte dann das Einvernehmen wieder her, sich und den deutschen Interessen zuliebe.

Heute ist es umgekehrt: Fischer darf den Moderator geben, Schröder rempelt selbst, wo er es für nötig hält - in seiner leutseligen Art, die nicht gleich als Frontalangriff rüberkommt. Für den Außenminister ist diese Rollenverteilung nicht ungefährlich. Am Anfang mag es ihm gefallen haben, dass ausgerechnet er, der Straßenkämpfer und Anti-Golfkrieg-Demonstrant, es geschafft hat, von Madeleine Albrigt und dem Golfkriegs-General Colin Powell als Partner akzeptiert zu werden. Aber wie so oft bei Konvertiten: Auch er neigt mitunter zum Überkompensieren, damit erst gar nicht der Verdacht aufkommt, er falle in alte Reflexe zurück. Wenn Schröder ihn in dieser Rolle festlegt und selbst den Part deutscher Interessenwahrung übernimmt, verringert er Fischers Spielraum, sich von seinen Vorgängern abzusetzen und mit einer eigenen Außenpolitik zu profilieren. Fischer in der Staatsmann-Falle.

Übermorgen mag es umgekehrt sein: Vielleicht muss dann Fischer poltern, weil Schröder schmeicheln will. Da ist es wieder, das garstige Bild von Koch und Kellner - das Fischer neben dem Weltpolitiker Schröder wenig Platz lässt. Aber Koch und Kellner sind ja, genau betrachtet, vor allem eines: ein Team.

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