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Meinung: Des Teufels Advokat

Gesund genug“ – er darf wieder reden. Wenn Slobodan Milosevic, der prominenteste Angeklagte der Welt, jetzt weiter vor seinen Richtern erscheint, darf er, das entschied die Revisionskammer des Tribunals in Den Haag, erneut den Verteidiger seiner selbst spielen.

Gesund genug“ – er darf wieder reden. Wenn Slobodan Milosevic, der prominenteste Angeklagte der Welt, jetzt weiter vor seinen Richtern erscheint, darf er, das entschied die Revisionskammer des Tribunals in Den Haag, erneut den Verteidiger seiner selbst spielen. Nun wird er weiter behaupten dürfen, der Vatikan und HansDietrich Genscher oder französische Söldner, westliche Verschwörer und die Nato seien Schuld am Zerfall des Erbes von Josip Broz Tito. Nicht aber dessen Reichsverweser, er, der Angeklagte mit seinem großserbischen Nationalismus. Mit seiner Entscheidung trachtet das Tribunal sich aus der Zwickmühle zu befreien, die der Angeklagte mit raffinierten Verzögerungstaktiken geschaffen hatte. Doch seit Pflichtverteidiger für Milosevic bestellt worden waren, hatten mehr als hundert Zeugen der Verteidigung aus Protest ihre Aussage verweigert. Erneut drohte der Prozess aus den Fugen zu geraten. Nun bleibt dem Tribunal keine Wahl mehr. Jetzt müssen die Richter selbst entschlossen dafür sorgen, dass die Verhandlung weniger großzügig als vielmehr zügig läuft. Nahezu jeden Monat finden Ermittler bis heute in Bosnien neue Massengräber, vor wenigen Tagen ein Grab mit 403 Toten. In Den Haag geht es um Gerechtigkeit, nicht nur für den Angeklagten und dessen faires Verfahren, sondern für nahezu eine Viertelmillion Opfer und ihre Angehörigen. cf

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