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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei der Trauerfeier für Ariel Scharon in Jerusalem.

© AFP

Deutsche Außenpolitik in Nahost: Frieden schaffen – vor der eigenen Haustür

Deutschland spielt eine wichtige Vermittlerrolle im Nahen Osten. Nirgendwo war Außenminister Steinmeier so oft wie in dieser Region. Das große Gewicht hat auch damit zu tun, dass Deutschland dort keine machtpolitischen Interessen hat.

Global betrachtet ist Deutschland eine mittlere Macht. Wirtschaftlich spielt das Land in der Liga der ganz Großen, wird weltweit beachtet. Militärisch – und auch das ist ein Machtfaktor – hatte die Bundesrepublik nie den Ehrgeiz, über die Bündnisverpflichtungen hinaus aktiv zu werden. Die fortwirkende Erinnerung hat hier bis heute eine prophylaktische Wirkung. Aber außenpolitischer Einfluss, ob man gefragt und gehört wird in Konfliktsituationen, misst sich nur noch bedingt an der Zahl der Kanonen. Hier ist Verlässlichkeit und glaubhaft-ehrliches Makeln zwischen den Parteien das höchste Gut.

Das erklärt, warum Deutschland im erweiterten Nahen Osten eine Rolle spielt, die sich auch aus der Historie speist – aus der, die geschehen ist und jener, die es nicht gab. Frank-Walter Steinmeier, nun wieder Außenminister, war in seiner ersten Amtszeit zwischen 2005 und 2009 in keiner Region der Welt so oft zu Gast wie in dieser. 14 mal standen Israel und seine Nachbarstaaten auf der Reiseagenda, und auch ohne die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Ariel Scharon – bei denen Steinmeier die Bundesrepublik vertrat – wäre der Sozialdemokrat jetzt in Israel und Palästina gewesen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah sollten die ersten politischen Gesprächspartner außerhalb Europas sein, das war die dezidierte Absicht.

Steinmeier kommt zu einem Zeitpunkt, an dem es zum ersten Mal seit vielen Jahren hoffnungsvolle Anzeichen für ein Rahmenabkommen zwischen Israelis und Palästinensern – zumindest denen im Westjordanland – gibt. Die Hamas im Gazastreifen bleibt ein Sonderfall, denn sie ist nach wie vor nicht bereit, die Staatlichkeit Israels zu akzeptieren. US-Außenminister John Kerry hat mit seiner Pendeldiplomatie beiden Seiten deutlich gemacht, dass die USA jetzt auf eine Lösung des Nahostkonfliktes drängen. Die großen Umrisse des Kompromisses sind die seit langem bekannten: zwei Staaten in den Grenzen von 1967, wohl mit Korrekturen als Ausgleich für ein Fortbestehen einiger größerer israelischer Siedlungen, ein geteiltes Jerusalem als Hauptstadt Israels und Palästinas. Ungelöst bleibt die Frage einer begrenzten Rückkehr von Palästinensern.

Dringlich wird die Lösung für Israel, weil der arabische Frühling die außen- und sicherheitspolitisch einschätzbaren Diktaturen in Kairo, Tripolis und Bagdad hinweggefegt oder geschwächt hat. Wer auch immer am Ende Sieger der Arabellion sein wird – Freunde des jüdischen Staates werden kaum an die Macht kommen. Deutschland ist, neben den USA, für Israel ein verlässlicher, aber nicht unkritischer Freund. Die Bundeskanzlerin hat im Jahr 2008 bei einem Besuch – im März wird sie wieder kommen – vor der Knesset von der Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson gesprochen und damit die besondere historische Verantwortung der Bundesrepublik für den jüdischen Staat definiert. Für die arabischen Nationen ist Deutschland hingegen ein wohlgelittener Dialogpartner, weil es keinerlei koloniale Vergangenheit aus der Zeit des Deutsches Reichs gibt, die die Beziehungen belasten könnte.

Deutschland hat erkennbar keine machtpolitischen Interessen in der Region

Das erklärt auch unseren gewachsenen Einfluss in der Gesamtregion. Deutschland gehört zu den Mächten, die sich unter dem Namen „Freunde Syriens“ um eine Beendigung des Bürgerkriegs dort bemühen. Frank-Walter Steinmeier war noch am Sonntag bei einem Treffen in Paris, am 22. Januar sollen in Montreux erste Kontakte zwischen den verfeindeten Gruppierungen angebahnt werden. Auch im Atomstreit mit dem Iran spielt Deutschland neben den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates und der Europäischen Union eine gewichtige Vermittlerrolle. In Ägypten hat Guido Westerwelle bei mehreren Besuchen Kairos versucht, zwischen den Fronten zu vermitteln.

Erleichtert werden diese deutschen Bemühungen, den Nahen Osten zu befrieden, weil die Bundesrepublik erkennbar keinerlei territoriale oder machtpolitische Interessen oder Präferenzen außer der hat, möglichst rechtsstaatliche Strukturen und Verhältnisse zu schaffen. Eine bedeutende Wirtschafts- und Handelsnation wie Deutschland bietet zudem Chancen auf wachsende ökonomische Prosperität und damit regionale Stabilität. Wer immer also rätselt, welchen Einfluss Deutschland in der Welt ausüben könnte – im Nahen Osten, quasi vor der Haustür Europas, gibt es eine Region, deren Übergang in eine ruhigere und friedlichere Phase in aller, auch in unserem Interesse, wäre.

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