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Meinung: Deutsche Außenpolitik: Rollensuche auf der Weltbühne

Nach drei Tagen wissen wir nun Bescheid. Berührt ist Kanzler Schröder vom Militärschlag gegen Irak.

Nach drei Tagen wissen wir nun Bescheid. Berührt ist Kanzler Schröder vom Militärschlag gegen Irak. Besorgt ist er nicht. Den Amerikanern will er das, was man zu sagen habe, schon sagen. Aber nicht öffentlich. Der Kurier ist gerade in Washington gelandet: Joschka Fischer. Zum Einsatz gegen Bagdad hat auch er bislang geschwiegen. Die Opposition im Bundestag höhnt schon, sein Schweigen sei ein Beleg für die Handlungsunfähigkeit des Angeschlagenen. Denn einer, der mit dem Rücken zur Wand stehe, der könne die Interessen Deutschlands nicht mehr offensiv vertreten.

Die Zukunft des Außenministers ist offen. Auf die Gegenwart deutscher Außenpolitik haben die vergangenen Tage indes ein bezeichnendes Licht geworfen. Da reisen etliche Minister und der Bundespräsident durch die Welt, während der Regierung zum wichtigsten ersten Schritt des Hauptverbündeten kein Kommentar einfällt. Wohin reisen sie also in Rekordstärke? Vor allem: Wozu?

Bundespräsident Rau ist in Indonesien. Seine Visite offenbart wohl am besten, was geht - und was nicht. Indonesien ist seit Jahrzehnten ein Hätschelkind deutscher Außenpolitik. Das Inselreich hat wie die Bundesrepublik eine totalitäre Vergangenheit überwunden. Jetzt zahlt die viert-volkreichste Nation der Welt für die Demokratisierung den Preis des staatlichen Zerfalls. Wir haben beste Kontakte, aber machen können wir nichts. Außer zu tun, was Rau tut: an die Toleranz zu appellieren.

Diese Hilflosigkeit rechtfertigt ein gerüttelt Maß an Bescheidenheit. Es gibt ja zwei grundverschiedene Impulse von Außenpolitik. Der erste ist, schlicht Ruhe haben zu wollen, mit den Nachbarn in Frieden zu leben und Schaden abzuwenden. Und dann gibt es jenen, der Gestaltung heißt. Deutschland will dies in Europa, und hier steht Fischer in bester Tradition. In kniffligen Streitfragen wie der Agrar- und Handelspolitik ist dieses Europa bereits der Akteur. Die Union fordert nun, Europa müsse Weltpolitik betreiben. Als Forderung: richtig. Doch die Umsetzungschancen sind fast null. Die Politik gegenüber dem Irak legt kein Politiker in Brüssel oder Straßburg fest - sondern zunächst jene in Washington und dann die im UN-Sicherheitsrat. Dort aber agieren Franzosen und Briten als Franzosen und Briten. Europäer sind sie nur fallweise, wenn es taktisch klug ist.

Amerika begreift das Prinzip der Gestaltung als globales. Das transatlantische Verhältnis wird zunehmend von diesem Auseinanderdriften der Wahrnehmung bestimmt. Es lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen. Die Deutschen haben nach 1989 aufgeatmet: Die Welt ist sicherer geworden. Für die US-Bürger ist die Rest-Welt vor allem eines geworden: unsicherer. Dass die Lage konfus ist, darin stimmen beide überein. Auch die Folgen dieser Verwirrung sind bis zu einem bestimmten Punkt dieselben. Eine breite Öffentlichkeit, auch die interessierte, zieht sich zurück. Außenpolitik wird die Angelegenheit von Experteneliten. Die deutsche setzt auf Beobachtung, auf bestenfalls punktuelle Einflussnahme, auf Kooperation. Die amerikanische setzt auf Risikominimierung und Sicherheitsmaximierung. Notfalls auch mit Bomben.

Unter diesem Weltpolizisten-Image der USA will die Bundesrepublik nicht mitleiden. Der Angst vor Terror begegnet Berlin, indem man sich nicht zur Zielscheibe macht. Washington bevorzugt das Ausschalten von Gefahrenpotentialen - und nimmt in Kauf, einen hohen Preis zu zahlen. Im Herbst wurde der US-Zerstörer "USS Cole" vor Aden angegriffen. In New York läuft der Prozess gegen Islamisten, die das World Trade Center in die Luft sprengen wollten. US-Flaggen werden nach dem Angriff auf den Irak im ganzen arabischen Raum verbrannt. Wir sind davon unmittelbar nicht betroffen. Doch eine Politik, die vom Sich-Ducken profitiert und dem großen Ausputz-Bruder gleichzeitig misstraut, ist ein zunehmend schwieriger werdender Spagat.

Die Unübersichtlichkeit der Welt und die Marginalisierung von Außenpolitik bewirken in Deutschland eine fatale Entwicklung. Der Blick geht nach innen. Die Personaldecke für die Außenpolitik wird dünner. Wenn Bonn ein Zwerg war, ist Berlin ein Teenager. Als Teenager sind viele ungelenk. Deutschland auf der Weltbühne auch.

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