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Deutsche Politik: Opposition im Mist

Was für eine Woche! Man könnte meinen, die Bundesregierung habe Probleme, große Probleme. Doch SPD, Grüne, Linke und Piraten haben weder weniger noch kleinere.

Neuwahlen, ja, das könnte ihm so passen. Klar, dass Sigmar Gabriel, der SPD-Vorsitzende, nach einer Woche des Schreckens in diese Kerbe schlägt. Nur trifft er damit auch sich, die SPD, überhaupt die gesamte Opposition. Denn personelle Probleme haben sie allesamt, und zwar nicht zu knapp.

In der SPD zum Beispiel ist aufgefallen, dass keiner der drei Männer, neben Gabriel noch Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, mehr wäre als ein Vizekanzlerkandidat. Nicht weil sie das andere nicht könnten, oder weil sie nicht regieren könnten; das haben die drei auf je unterschiedliche Weise schon getan, alle als Minister, zwei auch als Ministerpräsidenten. Sondern weil sie ausweislich von Umfragen nicht so beliebt sind wie die SPD-Variante von Angela Merkel, Hannelore Kraft. Das gilt für die Partei wie im Wahlvolk. Kraft wird am meisten zugetraut. Damit aber wird die Entscheidung, wer am Ende der SPD-Kanzlerkandidat wird, noch schwieriger. Der Beste für die Partei soll’s werden – was, wenn es eine Beste ist? Wird es dann aber ein Mann, ist er nur das Zweitbeste. Und hat schon verloren.

Auch die Grünen haben ein massives Problem, aber gegenwärtig das Glück, unter Wert betrachtet zu werden. Bei so viel CDU kommen sie in der Betrachtung und Beschreibung zu kurz; das dürfte ihnen ausnahmsweise allerdings sogar mal recht sein. Immerhin ist es so, dass ihnen – noch – eine Urwahl für die Benennung von zwei Spitzenkandidaten bevorsteht, und dass sich dafür bisher als aussichtsreiche Bewerber zwei Linke gemeldet haben. Daran zeigt sich ein dramatischer Verfall der Autorität des reformpolitischen Flügels, früher Realos genannt. Erst einmal war es schon ein enormer Fehler, davon auszugehen, dass die Grünen endgültig alle ihre Prinzipien über Bord werfen und nicht mehr nach Frau/Mann, rechts/links aufstellen würden, wenn es um die Bundestagswahl geht. Hinzu kommt, dass die Linke inzwischen personell und inhaltlich so wohlorganisiert ist, wie es früher die Realos unter Joschka Fischer waren. Heute ist die einzige Idee der Reformpolitiker, den Linken Jürgen Trittin zu unterstützen; etwas anderes fällt ihnen nicht ein. Außer vielleicht, dass der eine der anderen nicht wohl will, was heißt: Alle außerhalb der Grünen reden über das Verhältnis von Cem Özdemir zu Renate Künast. Özdemir kommt dabei gar nicht gut weg, zumal ihm dann auch noch nachgesagt wird, inhaltlich schwach zu sein.

Der Zustand des anderen Flügels besorgt derweil selbst die Linke, die sich wünschte, da käme mehr, nach dem alten Grundsatz: Wer fliegen will, braucht Flügel. Jedenfalls hat die Linke bei den Grünen eine Idee, die allerdings noch bei den Reformpolitikern Zustimmung finden muss, unter anderem bei ihrem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: dass es nicht zwei, sondern drei Spitzenkandidaten gibt, und dass die Partei nicht durch eine Urwahl gespalten wird oder ihre Spaltung für alle politischen Gegner dokumentiert. Da Özdemir und Künast als Spitzenkandidaten ausfallen, ist die Suche nicht einfach. Eine aber gäbe es, die passte ins Muster: Katrin Göring-Eckardt. Östlich und protestantisch ist gerade in Mode, gewissermaßen, wie man an Merkel und Joachim Gauck sieht. Sie ist Präses der EKD-Synode, kann reden, hat Tiefe. Das Hindernis ist nur: Sie muss wollen und deutlich gewollt werden. Beim gegenwärtigen Zustand des realpolitischen Flügels ist beides nicht sicher. An den Linken würde es nicht scheitern.

Apropos Linke. Bei der Linken, vulgo Linkspartei, ist ein Machtkampf im Gange, wie er härter nicht sein könnte. Es fetzt gerade die mühsam zusammengezimmerte Einheit zwischen West und Ost auseinander, weil Oskar Lafontaine wieder an die Parteispitze zurückkehren würde, wenn man ihn riefe. Und seine Bedingungen akzeptierte. Das geschieht allerdings bisher nicht, was den Blick darauf freigibt, ob der alte Oberstratege nicht einen ganz anderen Plan verfolgt: nämlich seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht endgültig vorne zu verankern. Lafontaine fordert viel zu viel, und um ihn nur ja zu verhindern, nehmen sie Wagenknecht – das würde zu ihm passen. Dietmar Bartsch, der männliche Spitzenkandidat, redet schon genau in diese Richtung.

Zu schlechter Letzt die Piraten. Sie sind nun, von  Berlin ausgehend, wirklich eine zu beachtende politische Kraft geworden, aber eben auch genau das: Sie sind zu beachten. Jetzt können sie sich nicht mehr verstecken, nicht personell und nicht inhaltlich. Das beginnt wieder in Berlin; der Landesverband macht eine höchst unglückliche Figur. Hier und andernorts müssen die Piraten aber in der Zeit bis zu neuen Wahlen Inhalte „liefern“, wollen sie nicht vom Wähler kielgeholt werden.

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