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Deutschland in Afghanistan: Zu wenig investiert

Die internationale Gemeinschaft ist mit der Mission Afghanistan gescheitert – gnadenlos.

Die Nachricht ist schrecklich – überraschend ist sie nicht. Dass die radikalen Kräfte in Afghanistan sich auch wieder deutsche Opfer suchen würden, haben nicht nur Sicherheitsexperten erwartet. Heute Aufbauhelfer als Geiseln, denen mit dem Tod gedroht wird, morgen vielleicht wieder Bundeswehrsoldaten als Ziel von Anschlägen. Ob die Taten wirklich immer von den Taliban ausgeführt werden oder die Radikalislamisten diese nur medial geschickt ausnutzen, ist zweitrangig. Fest steht, dass die selbst ernannten Gotteskrieger für westliche Verhältnisse zwar Ideologien vergangener Jahrhunderte vertreten, in Sachen Propaganda aber längst in der Gegenwart angekommen sind. International vernetzt und mit eigenen Sprechern – bestens informiert auch über den Stand der Debatten über den Einsatz der deutschen Soldaten am Hindukusch. Spätestens nach der Sommerpause wird das Thema weit oben auf der politischen Agenda rangieren – im Herbst muss der Bundestag über die Verlängerung aller drei Mandate entscheiden. Das macht es leider extrem wahrscheinlich, dass die Extremisten den Streit buchstäblich befeuern werden.

Natürlich darf und wird sich die Bundesregierung nicht durch Rückzugsforderungen erpressen lassen. Einen baldigen Abzug der Bundeswehr wird es nicht geben. Aber, und das wagt niemand der politisch Verantwortlichen offen auszusprechen, auch keinen Erfolg. Die internationale Gemeinschaft ist mit der Mission Afghanistan gescheitert – gnadenlos. Zu hoch war die Erwartung an die Reformbereitschaft der afghanischen Gesellschaft, zu gering der Wille in Washington, Brüssel oder Berlin, wirklich gemeinsam etwas zu bewegen. Das manifestiert sich darin, dass es bis heute nicht gelungen ist, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, in das auch das Nachbarland Pakistan eingebunden ist. Bitter, aber der Westen muss akzeptieren: Es wird keine Demokratisierung des gesamten Landes geben – nicht einmal eine Befriedung. Dafür würden nach Schätzung der Militärs vor Ort mindestens 100 000 Soldaten benötigt. Schon für die Aufstockung auf die jetzt 40 000 aber musste die Nato auf Betteltour gehen. Was bleibt, ist der Versuch der Schadensbegrenzung mit dem Ziel, in Afghanistan mittelfristig wieder zu einer Stammesgesellschaft zu kommen, wie sie vor dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 mehr oder minder funktioniert hat. Das ist fernab von europäischen Wertvorstellungen, aber halbwegs realistisch. Und es hätte etwas von einer Exitstrategie.

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