zum Hauptinhalt

Meinung: Deutschland - Österreich: Operation Ferrero-Küsschen

Österreich war einmal bekannt für Charme und Eleganz, zumal auf dem diplomatischen Parkett: der Wiener Kongress, der tanzte und lachte - internationale Politik im Walzertakt. Außenministerin Ferrero-Waldner übt gerade einen anderen Stil.

Österreich war einmal bekannt für Charme und Eleganz, zumal auf dem diplomatischen Parkett: der Wiener Kongress, der tanzte und lachte - internationale Politik im Walzertakt. Außenministerin Ferrero-Waldner übt gerade einen anderen Stil. Kurz vor der Reise nach Berlin ließ sie Kanzler Schröder und Außenminister Fischer per Interview wissen, wie wenig sie von Schröders Benehmen beim Wien-Besuch hält und von deutschen Föderationsplänen für Europa.

Ach, welche Versuchung für den schlagfertigen Schröder und den pfiffigen Fischer, die Sticheleien mit kleinen Sottisen zu beantworten! Ja, das könnte ihnen klammheimliches Vergnügen bereiten. Klüger wäre es, nicht auf kurzfristigen Spaß, sondern auf langfristige politische Rendite zu setzen - erst recht heute, da Wien erstmals seit 1918 eine Botschaft für ganz Deutschland in Berlin eröffnet.

Ferrero-Waldners Äußerungen spiegeln die anhaltenden Verletzungen durch die diplomatischen Sanktionen wegen der Regierungsbeteiligung der Haider-Partei - und bei denen spielte Rot-Grün aus Wiener Sicht eine Schlüsselrolle. Schon ohne diese Belastung war das deutsch-österreichische Verhältnis kompliziert genug. "Verfreundete Nachbarn" - so das Stichwort, das die ehemalige Generalkonsulin in Berlin, Gabriele Holzer, 1995 mit ihrem Buchtitel gab.

Für die kleineren Nachbarn, speziell die im Osten, ist es nicht einfach, ein normales Verhältnis zum ökonomischen und politischen Riesen zu finden. Robuste deutsche Interessenvertretung wird schnell als Arroganz empfunden; die Angst vor deutscher Dominanz mündet leicht in überzogene Posen der Selbstbehauptung. Bei Österreich kommt noch die Frage der Identität hinzu. Das Bekenntnis zur "Nation Österreich" klingt oft so selbstbeschwörend, dass es Zweifel weckt, wie weit es damit her ist - gut 60 Jahre nach dem "Anschluss" und 135 Jahre nach dem Krieg um klein- oder großdeutsche Lösung. Daher das Bonmot: Nichts trennt uns so sehr wie unsere gemeinsame Sprache.

Berlin ist nicht bekannt für Eleganz und Charme - aber das kann es ja werden. Wenn die Bemühungen um Europas künftige Gestalt, um Ost-Erweiterung und Verfassung in die entscheidende Phase treten, kann Deutschland jeden Verbündeten, jeden Gutwilligen gebrauchen. Heute haben Gerhard Schröder und Joschka Fischer Gelegenheit, sich galant zu zeigen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false