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Die Geburtsstunde der "neuen Deutschen", während der WM 2010 auf der Fanmeile in Berlin. Der neue Deutsche ist selbstbewusster, geliebt werden will er trotzdem unbedingt.

© dpa/picture alliance

Deutschland und die Champions League: Ein bisschen siegen, ein bisschen geliebt werden

Die Deutschen spielen Fußball, wie sie auch wirtschaften: Solide und mit Maß, vor allem, was das Geld angeht. Nun hat sich herausgestellt, dass man damit erfolgreich sein kann. Den Erfolg trägt das Land mit Fassung - nur die Missgunst der anderen Europäer, die können die Deutschen nicht ertragen.

Zwei deutsche Fußballklubs stehen im Finale der Champions League. So etwas gab es noch nie. Der Erfolg des deutschen Fußballs beruht erstaunlicherweise auf ähnlichen Faktoren wie die Erfolge der deutschen Wirtschaft oder das Gewicht der Bundesrepublik in der Europäischen Union. Die Deutschen verhalten sich, verglichen mit den anderen, relativ solide. Sie machen nicht ganz so viele Schulden, sie waren jahrelang bei den Lohnsteigerungen zurückhaltend, sie leisten viel Laufarbeit, lassen sich etwas einfallen und halten dabei Maß.

Deutsche Fußballklubs haben sich keinen Lionel Messi, keinen Cristiano Ronaldo und keinen Zlatan Ibrahimovic gekauft, von den superteuren Superstars haben sie die Finger gelassen. Zumindest für Bayern München wäre das durchaus eine Option gewesen, eine erhöhte Risiko- und Verschuldungsbereitschaft vorausgesetzt. Auch Bayern kauft natürlich teure Spieler, Martinez, 40 Millionen Ablöse, Ribéry, vermutlich 25 Millionen, demnächst Götze, 37 Millionen. Das ist viel Geld, aber doch weniger, als die spanischen Rivalen Barcelona und Madrid in den vergangenen Jahren auf dem internationalen Markt auszugeben bereit waren – allein Cristiano Ronaldo kostete 94 Millionen. Auch die von Milliardären beherrschten Großklubs in England und Russland wirtschaften anders.

Die deutschen Erfolge wären ganz ohne Geld undenkbar, gewiss, aber sie hängen vor allem mit starken Trainerpersönlichkeiten wie Jürgen Klopp, mit tüchtigen Managern wie Uli Hoeneß und mit der Bereitschaft zusammen, erfolgreiche Spielsysteme zu übernehmen und zu perfektionieren. Ingenieurskunst sozusagen. Der deutsche Fußball ist kein Rolls Royce und kein Ferrari, nur ein Mercedes.

„Maß halten“ – genau diese Formulierung war ja einmal der Slogan des Wirtschaftsministers und Kanzlers Ludwig Erhard, des Mannes, der das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Krieg gemanagt hat. Maß zu halten, diese Eigenschaft scheint sich in unsere Matrix eingeschrieben zu haben, sie ist das Gegenmodell zur Maßlosigkeit der wilhelminischen und nationalsozialistischen Weltmachts- und Vernichtungspläne.

Nun hat sich herausgestellt, dass man auch auf die vernünftige, nur selten auftrumpfende Art der neuen Deutschen, unter ihrer leidenschaftsarmen, pragmatischen Kanzlerin oder unter dem unglamourösen Jupp Heynckes, erfolgreich sein kann. Wenn aber in Zypern oder anderswo Merkelbilder mit Hitlerbärtchen hochgehalten werden und der hässliche Nazideutsche beschworen wird, handelt es sich um ein Missverständnis.

Deutschlands Stärke, liebe europäische Nachbarn, hat sich ausgerechnet aus der Abgrenzung gegen das Nazi-Erbe ergeben, wir wollten endlich einmal bescheiden sein, keine Experimente machen, auch keine Schuldenexperimente, wir möchten niemanden dominieren, wir wollen helfen, respektiert oder sogar geliebt werden. Wir wollten es doch nur richtig machen, solide Produkte, ein bisschen Export, ein bisschen Agenda, schöner Fußball, und haben einfach nicht damit gerechnet, dass man auch auf diese Weise die Nummer eins werden kann.

Sicher, wir freuen uns über Fußballsiege und betreiben in Konferenzen auch mal ein wenig deutsche Interessenpolitik – ist das so schlimm? Jeder tut das. Bayern und Dortmund sind ja in Europa nach oben gekommen, indem sie die Spielweise der alten Erfolgsklubs übernommen haben. Das geht immer, das kann doch eigentlich jeder, das sagt doch auch Angela Merkel in jeder Europakonferenz.

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