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Meinung: Die Achse der Guten

Immer mehr Bürger demonstrieren gegen Bush – mit immer schlichteren Argumenten

Von Caroline Fetscher

Ob es auf der Achse des Bösen eine Verbindung geheimer, roter Telefone gibt? Denn etwas Effektiveres als Nordkoreas atomares Coming-Out könnte dort nicht verabredet worden sein. Damit wirken die Argumente für Bushs zweiten Golfkrieg immer fadenscheiniger. Wenn Nordkorea offen zugibt, Waffen zur Massenvernichtung zu produzieren, warum sollte dann Saddams Irak angegriffen werden, wo Blix und sein Team bisher nur ein paar leere Sprenghülsen sowie einen Haufen Papier finden konnten?

Theoretisch scheint es also kein Problem, etwa für Bush-kritische EU-Staaten, ihre ablehnende Haltung zum geplanten Irak-Krieg zu rechtfertigen. Nein, sie finden Saddam nicht sympathisch, und: Nein, sie meinen nicht, dass Krieg zur Lösung für die irakische Diktatur führt. Indes strömen Palästinenser auf die Straßen und halten Saddam-Porträts hoch: gegen Israel, gegen die USA. Motiviert sind sie von dem alten Irrtum, dass der Feind der Feinde ein Freund sein müsse, vom grassierenden Antiamerikanismus und Antisemitismus der Region. Aber auf dieser Seite will sich auch kein Kriegsgegner wiederfinden.

Er ginge nicht für einen Mörder und Diktator wie Saddam Hussein demonstrieren, erklärte schon vor Wochen einer von Amerikas prominentesten Linken, Christopher Hitchens. Da sei er auf der falschen Seite. Es geht also darum, differenzierter zu sein als die eisernen Falken und als die empörten Saddam-Unterstützer, die im „Westen" die Ursache ihres ökonomischen und politischen Missgeschicks sehen wollen. Saddam ist ohne Zweifel gefährlich, ein Regimewechsel wäre begrüßenswert. Die Doppelstrategie des „Westens" – Säbelrasseln, ernsthafte Drohgebärden, diplomatische Initiativen hinter den Kulissen – ist für die Öffentlichkeit aber nicht leicht durchschaubar.

Wie also zieht man in demokratischen Ländern gegen Kriegspläne oder Kriegsandrohung auf die Straße, wenn die Botschaft viel komplexer sein müsste? Transparente, die so lang sind, dass man eine angemessene Aussage darauf ausbreiten könnte, sind unpraktisch. Es müsste vielleicht heißen: „Wir sind gegen Saddam und für den Schutz von Israel – Wir wollen aber keinen Krieg, lieber Verhandlungen, so wie mit Nordkorea – Demokratie soll sich weltweit durchsetzten, wenn möglich aber ohne Krieg – Wir trauen der Regierung nicht, dass sie das Richtige unternimmt." Bis das die Berichterstatter erfasst haben, sind die ersten Sätze schon vergessen.

Die Formel „Kein Blut für Öl" greift ebenfalls zu kurz. Denn dem „Westen" geht es im Fall Irak auch darum, dass die Demokratie einen Fuß in die Tür der arabischen Welt bekommt, dass die weltpolitisch zurückgebliebenen, prädemokratischen Staaten der arabischen Welt rasch politischem Fortschritt geöffnet werden. Ölgeschäfte kann man auch mit Diktaturen machen, sogar besonders gute. Gefährlich fürs Geschäft werden sie, wenn sie Potenzial zur Massenvernichtung entwickeln. Ob Saddams Irak so weit ist, ist ungewiss. Weniger ungewiss scheint, dass er es darauf anlegt – daher das UN-Embargo, keine Alleinerfindung der USA.

In Washington erklärten Angehörige von Opfern des 11. September gestern, wer erlebt habe, was es bedeutet, einen Menschen zu verlieren, der müsse grundsätzlich gegen Krieg sein – das klassisch pazifistische Argument, sympathisch, ein wenig naiv und keineswegs universell anwendbar, da es die Situation notwendiger Intervention geben kann (Stichworte: Faschismus, Srebrenica).

Mit der Auflösung der großen Machtblöcke nach dem Kalten Krieg ist die Weltpolitik komplexer geworden und damit die Aufgabe jeder demokratischen Zivilgesellschaft. Fest steht: Bewaffnete Konflikte spielen sich nur zwischen demokratischen und nichtdemokratischen Staaten oder Bevölkerungsgruppen ab. Präventiver Pazifismus in wachen Zivilgesellschaften würde bedeuten, vor dem Säbelrasseln, vor dem militärischen Schlagabtausch auf die Straße zu gehen, als Alarmsignalgeber der einzig möglichen „Weltreligion", der Menschenrechte. Gegen die Taliban und ihre Frauenverachtung hätte man eintreten müssen, vor Jahren, wie gegen Saddams Kurdenpolitik und Nordkoreas Stalinismus, wie für Kolumbiens Campesinos. Mit klaren Argumenten, gezielter als jene von „Attac", globaler als die nationaler Machthaber. Ist die Lage erst einmal so verfahren wie jetzt, können Bürger nur noch reagieren auf die Regierenden. Mit zu simplen oder zu mäandernden Slogans.

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