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Meinung: „Die Akademie ist noch in der Probephase“

Einmal hat er sich selbst um das Amt des Akademiepräsidenten beworben – und ist dann Vizepräsident geworden, 1997, unter György Konrád. Ein gutes Team, die beiden, hieß es damals – der glänzende Repräsentant nach außen, jener international gefeierte Autor, Weltenwanderer und Geistesmensch – und der kluge Vermittler nach innen, kein Widerständler zwar zu DDR-Zeiten, aber doch immer eigenständig genug, um zwischen West und Ost und dem zerstrittenen Haus Einheit herzustellen.

Einmal hat er sich selbst um das Amt des Akademiepräsidenten beworben – und ist dann Vizepräsident geworden, 1997, unter György Konrád. Ein gutes Team, die beiden, hieß es damals – der glänzende Repräsentant nach außen, jener international gefeierte Autor, Weltenwanderer und Geistesmensch – und der kluge Vermittler nach innen, kein Widerständler zwar zu DDR-Zeiten, aber doch immer eigenständig genug, um zwischen West und Ost und dem zerstrittenen Haus Einheit herzustellen. Nun ist er doch noch Akademiepräsident, zumindest interimshalber, seit Adolf Muschg im Dezember vorzeitig das Handtuch warf. Und äußert „ein gewisses Verständnis“ für den radikalen Schritt des Schweizers.

Matthias Flügge, 53, grauer Vollbart, etwas untersetzt, eher gemütlich als smart, ist ein kluger Kopf, der gern im Hintergrund wirkt. Er kann aus dem Stegreif improvisieren, eine wunderbare Laudatio auf den Bildhauer Richard Deacon zum Beispiel, bei der Verleihung des Berliner Kunstpreises im vergangenen Jahr, als sowohl der ursprüngliche Laudator als auch der Ausgezeichnete durch Abwesenheit glänzten. Und ist doch gleichzeitig gefangen in den Statuten der Akademie, im Gestrüpp der Satzungen, Verfahrensordnungen und Gesetze, im zögerlichen Reformprozess des altehrwürdigen Hauses, der mehr an Verschleppung denn an Erneuerung erinnert.

Mangelnden Mut zum Neuanfang konnte man Flügge bislang nicht vorwerfen. Er studierte Kunstgeschichte an der Humboldt-Uni und galt bald als unbestechlicher Kritiker. 1986 hat er die offizielle DDR-Kunstzeitschrift „Bildende Kunst“ verlassen, als dort freies Denken und Schreiben unmöglich war, arbeitete eine Zeit lang als freier Autor, kehrte dann als Chefredakteur zur „Bildenden Kunst“ zurück und gründete, als der Henschel-Verlag nach der Wende die Auflösung der Zeitschrift beschloss, mit Michael Freitag die „neue bildende kunst“. Ein verlegerisches Wagnis damals, ein mutiger Neubeginn.

Nun verteidigt er die Akademie der Künste und ihr neues, problematisches Gebäude am Pariser Platz, dem zuletzt Peter Raue Unbrauchbarkeit vorgeworfen hat. Man könne erst über das Gebäude urteilen, wenn es wirklich fertig gestellt sei, kontert Flügge und spricht von einem Rohbau, der erst zu 50 Prozent nutzbar sei. Noch sei man in der Probephase. Eine neue Akademie der Künste wird Flügge wohl nicht mehr mitbegründen.

Christina Tilmann

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