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Meinung: Die Automaten vom Bahnhof Zoo

Auch jedes neue Jahr tanzt nach dem alten Menuett. Erst die Wünsche, dann die Forderungen.

Auch jedes neue Jahr tanzt nach dem alten Menuett. Erst die Wünsche, dann die Forderungen. Pünktlich – oder besser: so pünktlich, wie die Post es eben schafft – füllt sich der Schreibtisch mit geöffneten Briefumschlägen, die aussehen wie die weit aufgesperrten Schnäbel kleiner Vögel, die darauf warten, mit Würmern gefüttert zu werden. Meine Lösung fürs neue Jahr? Gegenforderungen!

Verehrte Frau Fernblick von der GEZ,

vielen Dank für die Rechnung über 193,80 Euro für das Privileg, einen Fernseher zu besitzen. Im vergangenen Jahr ist es mir lediglich gelungen, Boris Becker in Tränen, eine völlig daneben liegende Wahlprognose, Bärbel und Vera am Mittag sowie Arabella zu jeder beliebigen Zeit zu sehen. Ich füge eine Rechnung über 365 Euro wegen psychischer Schäden bei.

Sehr geehrter Dr. med. Confucius,

besten Dank für die Rechnung über 25 Euro für eine Fünf-Minuten-Konsultation. Im Warteraum hatte ich zwei Stunden Zeit, um auszurechnen, dass Sie mir ungefähr 120 Euro Verdienstausfall (plus Mwst.) schulden. Die Rechnung liegt bei.

Lieber Herr Achtzehn,

danke für die Einladung zu einem Hintergrundgespräch mit Jürgen W. Möllemann. Leider habe ich nicht genug flüssig, um an diesem Montag nach Mallorca zu jetten. Könnten Sie mir das Geld überweisen? Ich bin sicher, Sie kennen meine Bankverbindung.

Sehr geehrter Herr Mehdorn,

danke für die Einladung zu einer „Superspartarifaktion“. Leider umfasst meine Familie keine sieben Personen plus Kamel; sie reist auch ungern zwischen 3 und 5 Uhr morgens am 29. Februar. Darf ich umgekehrt vorschlagen, dass Sie mir 5 Cent Ermäßigung für jede Stunde Schlangestehen am Schalter einräumen?

Lieber Herr Mehdorn,

sorry, dass ich Sie erneut belästige. Gerade musste ich 40 Euro für eine Zehn-Minuten-Fahrt ohne Ticket zahlen. Können Sie sicherstellen, dass die 40 Euro in die Reparatur der Ticketautomaten am Bahnhof Zoo investiert werden?

Verehrter Herr Eichel,

vielen Dank für Ihren kurzen Gruß via Finanzamt. Stimmt es eigentlich, dass Sie eine Modelleisenbahn auf Ihrem Speicher in Hessen haben? Und haben Sie schon mal erwogen, den Job mit Dr. Mehdorn zu tauschen?

Werter Dr. Confucius,

ich fürchte, Sie können Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht alle Schuld geben, auch wenn sie Rheinländerin ist. Sie stellen mir eine höhere Rechnung für kürzere Behandlung und begründen das so: je länger die Schlange, desto kürzer die Zeit. Ich werde das Honorar einer Wohltätigkeitsorganisation geben.

Verehrte Frau Fernblick,

Sie haben Recht. Niemand zwingt mich fernzusehen. Ich habe das Gerät gerade mit einer Axt zertrümmert. Bitte schicken Sie jemand von der GEZ vorbei zur Bestätigung.

Mit freundlichen GrüßenIhr Roger Boyes

Der Autor ist Korrespondent der britischen Tageszeitung „The Times". Foto: privat

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