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Meinung: Die Avantgarde will nicht zurück Von Alfons Frese

Beim Daimler schaffe – wer das geschafft hat, dem kann im Erwerbsleben nicht mehr viel passieren. DaimlerChrysler ist einer der beliebtesten Arbeitgeber im Lande: Das Geld stimmt, die Arbeitszeit passt, ab und zu gibt es einen Benz mit Mitarbeiterrabatt, und Angst vor Arbeitslosigkeit kennt man nur aus der Zeitung.

Beim Daimler schaffe – wer das geschafft hat, dem kann im Erwerbsleben nicht mehr viel passieren. DaimlerChrysler ist einer der beliebtesten Arbeitgeber im Lande: Das Geld stimmt, die Arbeitszeit passt, ab und zu gibt es einen Benz mit Mitarbeiterrabatt, und Angst vor Arbeitslosigkeit kennt man nur aus der Zeitung. Eine schöne Welt, die da über Jahrzehnte im Stuttgarter Raum entstanden ist. Bis vor ein paar Wochen ein Mann Anfang 40 die Ruhe störte. Mercedes sei ein Sanierungsfall, meinte Wolfgang Bernhard und kündigte an, was Manager in solchen Fällen ankündigen: Kosten senken, Leute feuern, Produktion ins Ausland verlagern. Dann die Überraschung: Zwei Tage bevor Bernhard MercedesChef wurde, zog ihn der Aufsichtsrat zurück.

Inzwischen soll der forsche Jungmanager in Wolfsburg gesehen worden sein; dort könnte er sich richtig austoben, denn VW-Personalchef Peter Hartz will die Arbeitskosten in den nächsten Jahren um 30 Prozent reduzieren. Dagegen sind die Sparpläne bei Daimler-Chrysler fast Peanuts. Die Autobauer in Sindelfingen können nicht im Ernst glauben, dass sie mit einer Wochenarbeitszeit von 30,3 Stunden auf ewig wettbewerbsfähig bleiben. Sie sind verwöhnt und tun sich entsprechend schwer mit dem Verzicht. Aber sie leben schon länger auch auf Kosten anderer. Denn wenn die mächtige IG Metall mal wieder einen dicken Tarifabschluss oder eine Steinkühlerpause durchgedrückt hatte, reichte Daimler wie alle anderen Hersteller auch einen Teil der Kosten an die Zulieferer weiter. Denen blieb häufig nur die Flucht nach Osteuropa. Und beim Daimler verdienten sie weiter prächtig.

Das soll auch in Zukunft so sein. Es ist keine maßlose Forderung des Managements, in Sindelfingen zu denselben Kosten Autos bauen zu wollen wie in Bremen. Wenn das nicht geht, werden die Autos eben in Bremen gebaut. So schlicht ist die Vorgabe des Vorstands. Vielleicht zu schlicht. Die Stuttgarter Beschäftigten verstehen sich als Avantgarde der Arbeiterklasse. Diese Metaller sind stolz und erfolgreich, wichtige Arbeitskämpfe haben sie gewonnen. Mit einem schlichten „Friss oder stirb“ kann man denen nicht kommen. Also muss das Management erklären und überzeugen. Wenn es nur darum geht, den Gewinn von 3,5 Milliarden mit dem Verzicht der Mitarbeiter auf vier Milliarden zu steigern, dürften die Bänder beim Daimler bald stehen.

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