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Die Bahn nach Mehdorn: Diesmal soll es Liebe sein

Diesen Elfmeter musste Rüdiger Grube nur noch verwandeln. Der neue Chef der Deutschen Bahn schickt den größten Teil seiner Top-Manager nach Hause, um einen Schlussstrich unter die unselige Datenaffäre zu ziehen. Unter deren Regie war der Staatskonzern Bahn zu einer Schnüffel- und Spitzelfirma geworden, der Recht und Gesetz nicht viel galten – ein in dieser Qualität bislang einmaliger Vorgang in einem deutschen Großunternehmen.

Diesen Elfmeter musste Rüdiger Grube nur noch verwandeln. Der neue Chef der Deutschen Bahn schickt den größten Teil seiner Top-Manager nach Hause, um einen Schlussstrich unter die unselige Datenaffäre zu ziehen. Unter deren Regie war der Staatskonzern Bahn zu einer Schnüffel- und Spitzelfirma geworden, der Recht und Gesetz nicht viel galten – ein in dieser Qualität bislang einmaliger Vorgang in einem deutschen Großunternehmen.

Obwohl den Vorständen persönlich keine Verfehlung nachgewiesen werden kann, war der radikale Schnitt an der Spitze unausweichlich. Allein schon um den zehntausenden Mitarbeitern, die zuvor bei den eigenen Leuten jahrelang als latent kriminell galten, eine Zeitenwende zu demonstrieren.

Der schwierige Part, der Kunstschuss quasi, steht Grube aber erst noch bevor. Er muss nicht nur mitten in der tiefsten Wirtschaftskrise fähige Leute finden, die eines der größten und wichtigsten Unternehmen des Landes auf Kurs halten. Er muss, und das ist beinahe noch schwieriger, klarmachen, dass das System seines Vorgängers Hartmut Mehdorn ab sofort Vergangenheit ist. Für die mehr als 170 000 Beschäftigten in Deutschland stand dieses System für eine Kultur des Misstrauens, vor allem gegen jene Mitarbeiter, die Mehdorns Begeisterung für einen Börsengang und eine auf Rendite getrimmte Bahn nicht teilten.

Mindestens ebenso wichtig ist, dass Grube auch ein Neuanfang aus der Sicht seiner Kunden gelingt. Zu ihnen hat die Bahn in den neuneinhalb Jahren des Systems Mehdorn ein ganz spezielles Verhältnis entwickelt. Für die einen im Konzern ist der Fahrgast noch immer ein lästiger Beförderungsfall, der sich vom rüden Umgangston bis zum Rausschmiss aus dem Zug mitten in der Einöde alles gefallen lassen muss – ganz so wie zu Zeiten der Behördenbahn. Die anderen betrachten den Verbraucher als eine Art Weihnachtsgans, die es zum Zwecke der Gewinnmaximierung auszunehmen gilt.

Immer neue, saftige Preiserhöhungen, die Versuche, einen Bedienzuschlag oder ein wirres Tarifsystem einzuführen und die beliebten Interregio-Züge oder Speisewagen abzuschaffen, der Personalabbau an den Bahnhofsschaltern oder der Verweis der Kunden an Fahrkartenautomaten, die sie nicht verstehen – all dies zeugt von einer großen Distanz. Und zugleich von einem großen Potenzial, das der neue Bahn-Chef heben kann. „Den besten Service der Welt“ soll der Ex-Monopolist fortan bieten, hat Grube bereits versprochen – freundlicher, sympathischer, pünktlicher, sicherer.

Bis zu diesem hehren Ziel ist es ein weiter Weg. Zwar hat sich bereits vieles zum Guten gewendet in den vergangenen Jahren: Die Züge sind moderner, sauberer und schneller, Bahnhöfe sehen nicht nur proper aus, in ihnen kann man auch shoppen, ein Fahrrad oder ein Auto mieten. Viele sehen in der Bahn aber weit mehr als nur ein beliebiges Fortbewegungsmittel oder einen Logistikkonzern von Weltrang. Die Bahn transportiert einen Mythos, weil ihre Technik fasziniert und Erinnerungen weckt an Spielzeug aus der Kindheit. Über kein Unternehmen debattieren und lamentieren die Deutschen impulsiver als über die Bahn. Sie ist öffentliches Gut und Ärgernis zugleich.

Bei dieser Leidenschaft muss Rüdiger Grube seine Kunden und seine Mitarbeiter gleichermaßen packen. Dann hat er die Chance, trotz der Krise etwas Neues auf die Beine zu stellen: eine Bahn, die nicht gehasst, sondern geliebt wird – und die sich dessen würdig erweist.

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