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Meinung: Die Datenhuber

Die neue Steuernummer vereinfacht das System – auch für die Bürger

Sie ist wieder da, diese altbekannte Volkszählungsboykottstimmung, ein bisschen jedenfalls. Anlass ist das am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedete Jahressteuergesetz, mit dem eine steuerliche Identifikationsnummer eingeführt wird. Elf Ziffern reichen demnächst, um jeden zu identifizieren, vom Säugling bis zum Greis. Da regt sich Misstrauen, was ja grundsätzlich eine gute Sache ist, gerade in Deutschland. Die Nazis tätowierten Nummern auf die Arme ihrer Opfer. Und die Stasi häufte einen unendlichen Datenwust an.

Doch von all dem, vom gläsernen Bürger und George Orwells „1984“ ist diese neue Nummer weit entfernt. Statt einer Lohnsteuerkarte aus Pappe gibt es ein elektronisches Verfahren – na und? Deswegen hat das Finanzamt auch nicht Zugriff auf mehr oder andere Daten. Was sich fast alle Bürger schon lange wünschen, dass nämlich das Steuersystem einfacher wird, hat hier seinen Anfang. Bis zur Steuererklärung auf einem Bierdeckel – oder einer überschaubaren Webseite – ist noch ein weiter Weg, immerhin wird er jetzt beschritten. Angst vor dem Finanzamt ist ein Urinstinkt – aber um das System einfacher zu machen, muss es moderner werden.

Ohnehin geht es bei der Ablehnung der Identifikationsnummer wohl eher nicht um das Finanzamt, sondern den Staat an sich. Um die Befürchtung, dass der einen neuen Datenpool aufbauen wolle. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar spricht schon von einem zentralen Melderegister. Doch gibt es dafür weder Anzeichen noch eine gesetzliche Grundlage.

Missbrauch muss ausgeschlossen werden, natürlich. Aber die neue Nummer insgesamt abzulehnen, ist einfach nicht zeitgemäß. Von der alten Boykott-Bundesrepublik der frühen 80er Jahre ist nicht mehr viel übrig. Sie wurde vereinigt mit der früheren DDR, in der die Bürger Erfahrungen mit einem wirklich totalitären Regime gesammelt hatten – dagegen war die Volkszählung harmlos. Auch ist der deutsche Herbst, in dem viele eine antistaatliche Attitüde lernten, inzwischen Geschichte. Und schließlich haben Computer und Internet Einzug gehalten. Tagtäglich sondern die meisten Bürger sorglos mehr Daten ab, als das Finanzamt jemals von ihnen verlangt – und zwar freiwillig.

Wichtiger als der Datenschutz ist den meisten Menschen ihr eigenes Portemonnaie, und deswegen sammeln sie Kundenkarten, Meilen und Punkte. Warum also sollte man dem Staat, den wir alle bezahlen, die Arbeit schwerer machen als nötig? Das mag einen für einen kleinen Moment 20 Jahre jünger machen. Aber sinnvoll ist es nicht.

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