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Meinung: Die Einsamkeit der Langstreckenläufer

Für die Bildungspolitiker sind die Ergebnisse von Pisa "keine Überraschung". Damit, so hoffen sie, erledigt sich die Notwendigkeit schnellen Handelns von selbst, denn was so lange auf dem Tisch liegt, muss auch jetzt nicht erledigt werden.

Für die Bildungspolitiker sind die Ergebnisse von Pisa "keine Überraschung". Damit, so hoffen sie, erledigt sich die Notwendigkeit schnellen Handelns von selbst, denn was so lange auf dem Tisch liegt, muss auch jetzt nicht erledigt werden. Dass dies der Offenbarungseid ihrer bisherigen Schulpolitik ist, dürfte auch diesmal nicht auffallen. Auch die Reaktion der Wissenschaftler ist bekannt: Man solle sich vor Verallgemeinerungen hüten, warnt vor Patentrezepten, plädiert gegen das Wiederaufflammen alter Systemdiskussionen. Wenn wir aus den vielen Studien auch einmal Konsequenzen ziehen wollen, dann müssen wir weiter forschen und auch reagieren. Vier Vorschläge:

1. Die Eltern müssen wieder mehr Verantwortung übernehmen. Seit Jahrzehnten werden wir von den großen Volksparteien in wichtigen Bereichen der Gesellschaft systematisch entmündigt. So wie der Staat für die Krankenversicherung, für die Rente und neuerdings auch für die Arbeitsplätze verantwortlich gemacht wird, so wurde auch die Verantwortung für die Ausbildung der Kinder auf die Schule, die Lehrer, den Staat abgewälzt. Das schleichende Abdanken der Eltern ist eine Konsequenz unseres überbordenden Sozialstaats. Wenn wir das ändern wollen, dann müssen wir das jetzt ändern. Weniger Staat, mehr Familie!

2. Das Berufsbild des Lehrers muss korrigiert werden. Man braucht ja nicht wie in Österreich den Lehrer Professor nennen. Wenn aber die gleichen politischen Vorbilder, die von der Bedeutung des "Humankapitals" schwadronieren, diejenigen, die unsere Kinder ausbilden, nicht ernst nehmen, dann dürfen wir uns nicht wundern. Bei uns kann ein Ministerpräsident von "faulen Säcken" reden und dabei auf die Zustimmung in der Bevölkerung zählen. Beide liegen falsch. Wir sollten in die didaktische Kompetenz der Lehrer investieren, von ihnen Leistung fordern - und diese auch adäquat bezahlen.

3. Wir brauchen ein "Benchmarking" für die Bundesländer. Die Regierung Finnlands fühlt sich durch die Pisa-Ergebnisse angesprochen. In Deutschland aber tragen die Bundesländer die Verantwortung für die Pisa-Resultate. Die Länder sind zuständig, aber es gibt keine Einzelergebnisse. Bisher wollten die Länder auch keine. Hier liegt der wahre Skandal, ein kolossales Versäumnis. Gerade der schonungslose Vergleich von Erfahrungen der Schulpolitik in den verschiedenen Bundesländern könnte uns weiter bringen. Wenn es von Interesse ist, zu erfahren, dass unsere Schüler in Mathematik auf Platz 20, und damit 13 Plätze hinter der Schweiz, landeten, warum dürfen wir nicht erfahren, wo die bayerischen Schüler im Vergleich zu ihren nordrhein-westfälischen stehen? Genau das hätte man schon bei der Vorgängerstudie erfahren können. Den damit betrauten Wissenschaftlern war die jeweilige Zahl der Schüler nicht repräsentativ genug. Mit diesem Versteckspiel muss Schluss sein.

4. Wir müssen den Wettbewerb zwischen den Bundesländern fördern. Die besten Leistungen werden im Wettbewerb erzielt. Das gilt für den Sport, die Kultur und die Wirtschaft. Seit Anfang der siebziger Jahre gilt das aber nicht mehr für unser Bildungssystem. Das Ergebnis können wir nicht erst seit Pisa besichtigen und nicht nur an den Schulen. Wir sehen seit Jahren, dass immer mehr Bewerber für Lehrstellen nicht richtig lesen, schreiben oder rechnen können. Entsprechendes erfahren auch die Hochschullehrer, wenn sie Klausuren oder Diplomarbeiten durchsehen.

Dort sehen wir auch, dass nur noch wenige sich zutrauen, die sogenannten "harten" Fächer wie Mathematik, Physik oder Chemie zu studieren. Wir sehen es an den durchschnittlichen Studienzeiten, die von 10 Semestern 1969 auf jetzt über 14 Semester gestiegen sind. Damit der Wettbewerb zwischen Schülern, Professoren, Hochschulen wieder möglich wird, muss der Wettbewerb zwischen den Bundesländern in den Schulen ernsthaft aufgenommen und zwischen Studenten und Hochschulen möglich gemacht werden. Man stelle sich vor, die Hochschulen können sich ihre Studenten durch Eingangsprüfungen wieder selbst aussuchen! Nicht nur würde sich das segensreich auf die Zahl der Abbrecher und Umsteiger auswirken, es hätte auch eine entscheidende Rückkoppelung auf die Schule. Die Eltern würden sich weniger für die Zensuren und mehr für den Inhalt des Lehrstoffes engagieren. Heute belästigen immer öfter Eltern die Lehrer mit ihrer Unzufriedenheit über die Zensuren. In Zukunft würden sie sich mehr für das Gelehrte und Gelernte interessieren.

Klar, wir brauchen Chancengleichheit am Start. Aber um beim Beispiel des Sports zu bleiben, unser Bildungssystem will nicht nur, dass unsere Läufer zur gleichen Zeit am Start sind, es sorgt dafür, dass auch alle zur gleichen Zeit im Ziel sind. Wie unser Bildungssystem wieder wettbewerbsfähig wird? Ganz einfach: durch mehr Wettbewerb!

Der Autor ist ehrenamtlicher Präsident der Wi

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