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Meinung: Die fehlende Souveränität

So viel ist klar: Wie ernst es Gerhard Schröder mit der Integration Deutschlands in die Europäischen Union nimmt, wird man in der kommenden Woche deutlicher sehen. Dann nämlich wird die Kommission zuerst darüber entscheiden, ob und wie lange Deutschland noch Investoren mit Höchstförderquoten in die neuen Bundesländer locken darf.

Von Antje Sirleschtov

So viel ist klar: Wie ernst es Gerhard Schröder mit der Integration Deutschlands in die Europäischen Union nimmt, wird man in der kommenden Woche deutlicher sehen. Dann nämlich wird die Kommission zuerst darüber entscheiden, ob und wie lange Deutschland noch Investoren mit Höchstförderquoten in die neuen Bundesländer locken darf. Und auch der seit Wochen tobende Streit um den "blauen Brief", der die Deutschen wegen der großen Verschuldung ihrer öffentlichen Haushalte ermahnen soll, strebt dann seinem Finale entgegen.

Wird sich der Bundeskanzler auch dann noch als überzeugter Europäer zeigen, wenn sich die Brüsseler in beiden Fragen gegen nationale Interessen entscheiden? Bislang ließ Schröder erst einmal seine Urinstinkte reagieren. Kaum, dass die Europäische Kommission ausgerechnet die korrekten Deutschen der Unfähigkeit verdächtigte, ordentlich mit Steuergeldern umgehen zu können, hat Gerhard Schröder scharf geschossen. Er sehe keinen Grund, sich politische Verfehlungen vorzuwerfen und werde eine Abmahnung nicht wehrlos hinnehmen, polterte er.

Und auch bei der Aufweichung der deutschen Monopolstrukturen im Autohandel schwieg Schröder nicht. Autos, das sind schließlich die Statussymbole des deutschen Erfinder- und Produzentengeistes. Da lässt es der Kanzler nicht an klaren kritischen Worten fehlen, wenn zu befürchten steht, dass die Entscheidungen von Eurokraten auch nur einen einzigen Arbeitsplatz in der deutschen Automobilindustrie kosten könnten. Gewiss, die Verstimmung Schröders in Sachen Europapolitik ist verständlich. Denn es sind ja gerade diese Bereiche der Innenpolitik - die Wirtschafts-, Finanz-, und Ostdeutschland-Politik - mit denen der Kanzler im Wahljahr punkten möchte. Eine Kürzung der EU-Ostförderung käme also für Schröder mehr als ungelegen. Mit seinem harschen Ton gegenüber Brüssel will der Kanzler möglicherweise den Druck erhöhen, so nach dem Motto: Vorsicht! Ihr könnt mit uns nicht alles machen.

Bei vielen Deutschen stößt das auf Zustimmung, die Skepsis gegenüber der Brüsseler Bürokratie ist groß. Eine pointierte Reaktion auf allzu viel Einmischung durch die EU schadet also nicht. Was aber, wenn die EU-Kommissare sich dem Druck aus Berlin nicht beugen und kommende Woche trotzdem gegen die deutschen Interessen entscheiden? Dies würde dem Ansehen des Kanzlers schaden - auch in Deutschland.

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