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Meinung: Die Fußnotentragödie

Kofi Annan fordert noch mehr Blauhelme – für die vergessene Katastrophe in Darfur

Von Hans Monath

Die Weltpolitik nimmt keine Rücksicht darauf, ob wir uns angesichts immer neuer Krisenherde noch mit einem weiteren Problem beschäftigten wollen. Mitten in einer Phase, in der die internationale Diplomatie und die deutsche Politik über eine Friedenstruppe und eine politische Lösung für den Nahen Osten beraten sowie um eine Antwort auf die iranische Provokation des Sicherheitsrats im Atomstreit ringen, kommt aus New York die Nachricht, dass die UN eine robuste Blauhelmtruppe nach Darfur schicken will.

Erinnert sich noch jemand an Darfur? Es ist jene Provinz im Westen des Sudan, in der nach einem Aufstand afrikanischer Milizen vor drei Jahren die (arabische) sudanesische Regierung arabische Reitermilizen auf die Bevölkerung hetzt, so dass bislang wahrscheinlich zwei Millionen Menschen vertrieben und 300 000 getötet wurden. Von der „derzeit größten menschlichen Katastrophe“ spricht UN-Generalsekretär Kofi Annan. Und der Nothilfekoordinator der UN, Jan Egeland, findet die dramatische Formel: „Im Sudan sind alle unsere Albträume Realität geworden.“

Aber die Katastrophe scheint uns nicht wirklich zu berühren. Weil die Regierung im Sudan – anders als die Konfliktparteien im Nahen Osten – mittlerweile auch Journalisten verfolgt und einsperrt haben, verbreiten die TV-Sender nicht jeden Abend Bilder verwesender Leichen, brennender Dörfer oder hungernder Kinder. Dabei klagen sowohl UN wie auch Hilfsorganisationen, dass die Massaker ungeachtet eines im Juni von einem Teil der Rebellen unterzeichneten Friedensabkommens weitergehen und die Hilfe die Menschen nicht mehr erreicht, weil auch die Helfer immer häufiger angegriffen werden.

Angesichts dieser Tragödie ist die UN-Resolution zur Entsendung von mehr als 20 000 Blauhelmsoldaten, die eine kleinere, hilflose Mission der Afrikanischen Union (AU) ablösen sollen, eine gute Nachricht. Nur widersetzt sich die Regierung in Khartum hartnäckig dem internationalem Großeinsatz und baut auf die Hilfe Russlands und Chinas im Sicherheitsrat. Peking sind die Öllieferungen aus dem afrikanischen Land wichtiger als ein Ende des Sterbens in Darfur.

Die UN-Resolution erhöht deshalb zwar den Druck auf Khartum. Ob sie je umgesetzt wird, ist aber offen. Ähnlich wie für den Libanon gilt auch für Darfur, dass nach dem Ende der Kämpfe nur ein politisches Konzept den Weg hin zum Frieden weisen kann. In Darfur ist das noch weit entfernt, auch weil viele Rebellen sich dem Friedensabkommen verweigerten und so der Regierung den Vorwand boten, weiter auf Gewalt zu setzen.

Es war übrigens Deutschland, das als nichtständiges Mitglied vor wenigen Jahren im Sicherheitsrat Darfur erstmals auf die Tagesordnung brachte. Gemessen daran, hört man aus der Regierung heute wenig dazu. Doch bald wird Annan auch die EU nach Truppen für Darfur fragen. Wer sich dann mit Hinweis auf die vielen deutschen Auslandseinsätze verweigern will, sollte wenigstens seine Bemühungen für eine politische Lösung dieser Krise verstärken.

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