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Meinung: Die geblümte Kittelschürze

„Mehr Stein als Sein“ vom 9. Dezember Wie man dem Tauentzien, einer der wenigen großstädtischen Straßen Berlins, die geblümte Kittelschürze der 70er Jahre zurückwünschen kann, ist mir schleierhaft.

„Mehr Stein als Sein“ vom 9. Dezember

Wie man dem Tauentzien, einer der wenigen großstädtischen Straßen Berlins, die geblümte Kittelschürze der 70er Jahre zurückwünschen kann, ist mir schleierhaft. Dieser Hang zu Tiergartengittern, Stiefmütterchenwechselpflanzungen und den klassischen Berliner Bänken mit den gusseisernen Füßen (die natürlich schon seit über 100 Jahren in immer noch derselben Werkstatt gefertigt werden) passt wirklich recht gut zu all dem kleinbürgerlichen Retrogeschmack, der die ganze Stadt so langsam überzuckert. Da hat ein Grünflächenamt endlich einmal den Mut, eine elegante, weltstädtische Planung nicht nur zu beauftragen, sondern auch noch umzusetzen – und da versammelt sich nicht nur Buletten-Berlin, sondern auch noch das ansonsten recht geschmackssichere Feuilleton, um sich die Ästhetik des Kaiserreichs zurückzuwünschen. Nur zur Erinnerung: Das war die Zeit, als der Verbrennungsmotor noch nicht erfunden war und die Leute wahrscheinlich ganz gerne auf Mittelpromenaden „promenierten“. Wieso der Mittelstreifen des Tauentziens (immerhin eine der Hauptverkehrsachsen der westlichen Innenstadt) aber heute noch ein Ort des ruhigen Verweilens sein soll, müsste einer der vorgeblich so ruhebedürftigen Flaneure doch schon mal erläutern. Aus meiner Sicht dient er so, wie er jetzt angelegt ist, all denjenigen, die entspannt vom Wittenbergplatz zur Gedächtniskirche schlendern, die leicht (und ohne über Tiergartengitter und Buchsbaumhecken klettern zu müssen, wie vor dem Umbau) zu McDonalds oder Leiser rüberlaufen wollen – ohne sich vorher in die langen Fußgängerschlangen einreihen zu müssen, welche die Passage vom Breitscheidplatz zum Wittenbergplatz manchmal so anstrengend machen.

Apropos das preußische Gartenbaugenie Lenné: Ihm ging es wie nahezu allen anderen großen Gartenbauern – selten sahen sie das Ergebnis ihrer Planungen noch mit eigenen Augen. Aber sie wussten, dass aus „struppigen Eiben“ nach ein paar Jahren stattliche grüne Polster werden, die selbst mit den bescheidenen Etats eines bezirklichen Grünflächenamtes ordentlich gepflegt werden können – und die zudem auch in der so gerne zitierten Weihnachtszeit noch ganz anständig aussehen. Was man von den geliebten Stiefmütterchen beim besten Willen nicht sagen kann.

In der Hoffnung, dass Sie (hoffentlich schon im nächsten Sommer, zumindest aber nach zwei oder drei Jahren) zähneknirschend Abbitte leisten und sich darüber freuen können, dass das verkiezte Berlin wenigstens eine Straße mit ein wenig weltstädtischer Geste besitzt.

Uwe Abraham, Berlin-Schöneberg

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