zum Hauptinhalt

Meinung: Die gekaufte Ampel

Man muss es sich so vorstellen: Schon lange vor der Berliner Wahl sind alle Parteien, außer der PDS, zu einem geheimen Treffen zusammengekommen, sagen wir in der Kantine des BE. Da haben sie dann ausführlich und mit großem Ernst überlegt: Was können wir tun, damit die PDS möglichst viele Stimmen bekommt?

Man muss es sich so vorstellen: Schon lange vor der Berliner Wahl sind alle Parteien, außer der PDS, zu einem geheimen Treffen zusammengekommen, sagen wir in der Kantine des BE. Da haben sie dann ausführlich und mit großem Ernst überlegt: Was können wir tun, damit die PDS möglichst viele Stimmen bekommt? Drei äußerst wirkungsvolle Maßnahmen sind ihnen da eingefallen. Wenn die PDS ihren besten Mann ins Rennen schickt, dann machen wir möglichst nur die lokalen Mini-Größen zu Spitzenkandidaten. Und damit wir die Wähler der Sozialisten so richtig motivieren, geben wir ihnen zum ersten Mal eine echte Machtaussicht, die SPD hält sich also alle Optionen offen. Und die CDU, was kann die beitragen zum großen gemeinsamen PDS-Förderprojekt? Genau, sie muss wenigstens der Form halber noch mit roten Socken winken, damit Gysi bei Gelegenheit den Ausgegrenzten geben kann.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt So ging die PDS dann in die Wahl: Ihr bester Mann an der Spitze, die Macht vor Augen, und dann kam auch noch der Krieg dazu, besser kann es gar nicht kommen. Trotzdem gewann die PDS nur drei Prozent hinzu. Noch in der Nacht zum 22. Oktober trafen sich die anderen Parteien wieder in der Kantine des BE und berieten sich erneut. Denn nur für den oberflächlichen, von der Sorge um die PDS nicht ganz und gar erfüllten Beobachter konnte es so scheinen, als befände sich die PDS auf einem Höhenflug. Tatsächlich sieht die Sache für die bedauernswerten Sozialisten so aus: Aus einer optimalen, nicht mehr verbesserbaren, unwiederholbaren Position heraus hat die Partei nur drei Prozent zugelegt.

Außerdem: Gysi lafontainisiert schon lange. Wenn er nicht regieren darf, wird er wieder ans Retirieren denken. Darf er regieren, macht ihn auch das müde. Und die PDS kann ihre Doppelrolle als Volks- und Protestpartei nur halten, wenn sie mit Spitzenkräften antritt. Der erfolgreiche Ossi, der den Wessis per Wahl einen Vogel zeigen will, tut das nur, wenn er einen wie sich selbst wählen kann, eben einen Gysi: ganz erfolgreich und doch ganz Osten. Und programmatisch? Ach davon wollen wir lieber gar nicht reden. Und die Sache mit dem Pazifismus hält sich auch nicht ewig. Die PDS, so analysierte unsere Runde im BE, steht im Zenit. Wenn wir nichts tun, dann geht es bald bergab. Wie also können wir der PDS jetzt helfen?

Flugs erfanden sie das Stück: die gekaufte Ampel. Vorher allerdings haben alle nach Kräften das Wahlergebnis der PDS hochgeredet. Laurenz Meyer von der Bundes-CDU war darüber erschrocken, andere - auch aus der CSU - wollten die PDS plötzlich nicht mehr verteufeln. Und alle zusammen beugten sich staunend über die 47,6 Prozent im Ostteil der Stadt - wie über ein metaphysisches Welträtsel: Wie konnte es nur so weit kommen, fragten sie listig? Dabei hatten sie doch selbst alles dafür getan.

Aber jetzt das Stück: Die gekaufte Ampel. Der Plot ist intelligent. Wenn wir die PDS schon nicht mitregieren lassen, dann muss es so wirken wie der totale Verrat, dann muss es genauso aussehen, wie sich der gemeine Ossi den Westen schon immer vorgestellt hat. Nicht nur muss der Bundeskanzler dem Regierenden Wowereit für alle erkennbar einen Ampelbefehl geben. Nein, er muss dabei auch noch mit Geldscheinen winken. Und damit das auch jeder mitbekommt, läuft die hiesige SPD herum und erzählt jedem, der es nicht hören will: Wir waren es nicht, wir hätten jederzeit mit der PDS koaliert, weil das die bessere Konstellation für die Stadt gewesen wäre. Die da oben waren es, so erzählen die mutigen Berlin-Sozis, der Kanzler und seine schnittigen Berater. Damit war eine Legende in Umlauf gebracht, die der PDS auch bei den nächsten Wahlen noch Mitleids-, Protest- und Sympathiepunkte bringen würde. Gerettet, wieder einmal. Das haben die Berliner Parteien wirklich gut gemacht.

Bleibt nur noch eine Frage: Warum machen sie das, warum benehmen sich alle politischen Gegner der PDS so, als wären sie ein PDS-Förderverein? Der Grund ist schlicht: Weil sie sich alle nie für die PDS interessiert haben, und auch nicht für deren Wähler, weder im Guten noch im Schlechten. Nicht mal die, die immer behaupteten, die PDS bekämpfen zu wollen, haben sich ernstlich Gedanken darüber gemacht. Alle Parteien haben immer nur darüber nachgedacht, wie sie mit dem Thema PDS selbst punkten können, was ihnen die PDS für taktische Vorteile bringt. Und die Summe der Vorteile aller wirkt als ein strategischer Vorteil für die PDS. Geradewegs so, als wären alle Parteien im BE zusammengekommen, um Gysis Truppe stark zu machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false